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Menschliches Antlitz

Programm Die Partei stimmt für Kontingente und den Syrieneinsatz

BERLIN taz | Ein Mann aus Syrien erzählt von der Sehnsucht nach seiner Heimat. Ein AWO-Mitarbeiter, der in einem Containerdorf arbeitet, ärgert sich über die Unterbringung der Menschen. Eine junge Frau, die mit Schülern über Geflüchtete spricht, sagt: Die Kinder verstünden schnell. „Letzten Endes sind wir alle Menschen.“

Die SPD hat auf ihrem Parteitag in Berlin ihren Kurs in der Flüchtlingspolitik neu justiert. Vor der Debatte am Donnerstag wird ein Film gezeigt. Offene Gesichter, minimalistischer Hintergrund, ruhiger Schnitt. Modern wirkt das, herzlich und weltoffen, so wie die SPD auch selbst wirken will.

Den Leitantrag bringt Malu Dreyer ein, die Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz. Sie beginnt ihre Rede mit einer Emigrationsgeschichte. Ein 20-Jähriger muss seine Heimat verlassen, er flieht vor Terror und politischer Verfolgung. In einem anderen Land darf er studieren. Später, nachdem er in seine Heimat zurückgekehrt ist, wird er Politiker, Regierungschef und Friedensnobelpreisträger.

Dreyer erzählt die Geschichte von Willy Brandt, der wegen der Nazidiktatur nach Norwegen und Schweden emigrierte. Bezüge auf den großen Kanzler gehören auf einem SPD-Parteitag dazu. Inhaltlich bekennt sich die SPD zu Flüchtlingskontingenten. Sie bedeuteten sichere Wege, ohne Schlepper und lebensgefährliche Reisen, heißt es im Leitantrag des SPD-Vorstands. „Niemand, der sich auf den Weg nach Europa und Deutschland macht, soll deshalb sein Leben riskieren müssen.“ In letzter Minute fügte der Vorstand einen Satz ein, der auf die Koalitionspartner CDU und CSU zielt: „Trotzdem sind Kontingente keine Obergrenzen.“

Die SPD will das Grundrecht auf Asyl schützen. Individuelle Schutzrechte von Bürgerkriegsflüchtlingen und Asylsuchenden an den deutschen Grenzen blieben unberührt, heißt es in dem Antrag. Die Abstimmung fand nach Redaktionsschluss statt. Eine Zustimmung der 600 Delegierten in einer Berliner Messehalle galt als sicher.

Am Vormittag diskutierte der Parteitag über den Bundeswehreinsatz gegen das Terrornetzwerk IS in Syrien. Außenminister Frank-Walter Steinmeier warb in einer leidenschaftlichen Rede für die Entscheidung des Bundestags, Tornados und eine Fregatte in das Kriegsgebiet zu schicken. „Wenn wir eine politische Lösung wollen, muss vom syrischen Territorium etwas übrig bleiben, das wir am Ende befrieden können.“ Die Luftschläge der Alliierten sollen den Kampf kurdischer Truppen am Boden unterstützen.

Der Parteitag nahm den Antrag, der Steinmeiers Kurs stützt, mit sehr großer Mehrheit an. Allerdings übernahm der Vorstand Änderungswünsche von Kriegsskeptikern in der SPD. Deshalb spricht sich der Beschluss klar gegen deutsche Bodentruppen aus. ULRICH SCHULTE

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