Ex-Telekom-Personalvorstand über Quote: „Schmidt sucht lieber Schmidtchen“

Thomas Sattelberger hat die Frauenquote bei der Telekom schon 2010 durchgesetzt. Ein Gespräch über böses Gemurre und geölte Routinen.

Das Logo der Deutschen Telekom auf der Unternehmenszentrale

Die Telekom führte die Quote schon 2010 ein, um dem Gesetzgeber zuvorzukommen Foto: dpa

taz: Herr Sattelberger, Sie haben 2010 einen Frauenanteil von 30 Prozent als Ziel im Führungskörper der Telekom durchgesetzt. Jetzt kommt die gesetzliche Quote. Ist Deutschland heute weiter als damals?

Thomas Sattelberger: Wir haben im März 2010 die freiwillige Selbstverpflichtung eingeführt, weil uns das Thema wichtig war und weil wir Sorge hatten, dass ansonsten der Gesetzgeber handelt. Wir haben leider vergeblich gehofft, dass durch ein gutes Beispiel auch andere Unternehmen das selbst in die Hand nehmen. Letztendlich wurde das Vakuum gesetzgeberisch gefüllt.

Wie schätzen Sie den Erfolg des Gesetzes ein?

Im ersten Teil des Gesetzes geht es um die Quote von 30 Prozent in den Aufsichtsräten. Das ist in den heutigen Zeiten fast schon trivial. Sie sagen einem Headhunter, er soll ihnen eine Frau bringen, der kommt mit einer Liste von drei oder vier Kandidatinnen und von denen wird eine ausgewählt. Ich vermute, dass sich keines der gut 100 betroffenen Unternehmen die Blöße geben wird, da nicht zu performen. Schwieriger ist es mit dem zweiten Teil, der Selbstverpflichtung.

Sie meinen die Zielvorgaben, die sich etwa 3.500 Unternehmen zur Erhöhung des Frauenanteils im Vorstand und obersten Management setzen müssen. Wie die Süddeutsche Zeitung berichtete, haben sich etliche Firmen wie Eon oder Commerzbank in den Vorständen eine „Null“ vorgenommen.

Da haben sich einige börsennotierte Unternehmen nicht mit Ruhm bekleckert. Aber die flexible Quote ist schwieriger umzusetzen. Dazu müssen die maskulin definierten Gepflogenheiten auf Chefetagen aufhören. Zudem müssen Arbeitszeit- wie Karrieresysteme auch Unterbrechungen ermöglichen, damit Frauen in wichtigen Lebensphasen, in denen die Belastung ohnehin schon doppelt oder dreifach so hoch ist, auch im Management flexibel sein können. Dass bei der Selbstverpflichtung so viele beim Status quo bleiben, zeigt, dass der propagierte Kulturwandel vielerorts noch nicht stattgefunden hat. Wenn wir da nicht harte Kulturarbeit zum Thema Vielfalt machen, können wir uns das gesamte Gesetzesgedudel sparen.

Wie war das damals bei der Telekom – gab es da auch Widerstand?

Der Widerstand begann nicht bei der Proklamation, sondern bei der Umsetzung. Ich habe damals zehn Monate lang Besetzungsentscheidungen für Führungspositionen in einem unserer großen Geschäftsfelder nicht zugelassen, weil immer nur Männer vorgeschlagen wurden. Im Untergrund gab es viel Gemurre und böse Kommentare.

66, war von 2007 bis 2012 Personalvorstand der Telekom. In seiner Jugend war er APO-Aktivist, später Maoist.

Laut einer Studie des Deutschen Kundeninstituts halten 42 Prozent der Aufsichtsrätinnen die Einführung der Quote für einen längst überfälligen Schritt. Dem schließen sich nur 14,3 Prozent der männlichen Aufsichtsräte an. Was ist das: Gewohnheit oder Ablehnung?

Es ist eine Mischung. Die Unternehmen wollen zeigen, wer Herr im Haus ist. Das hat mit den Frauen letztendlich nichts zu tun. Gleichzeitig kommen Männer mit geölten Routinen der Männerwelt besser klar als mit einer Welt, die divers ist. Das hat mit Frauen schon mehr zu tun. Und dann gibt es die archaischen Vorurteile, Frauen wären erstens nicht vorhanden und zweitens oft nicht geeignet. Man darf sich da nichts vormachen, solche Bilder sind noch sehr verbreitet.

Laut Studie glauben 77 Prozent der Aufsichtsräte, es würde kompliziert, qualifizierte Kolleginnen zu finden. Mangelt es an qualifizierten Frauen?

Eine umfassende Studie hat gezeigt, dass viele Aufsichtsräte der Meinung sind, ihre Kollegen seien oft nur wegen ihres Namens im Aufsichtsgremium, nicht wegen ihrer Qualifikation. Zudem liegt der Anteil der Aufsichtsräte mit volks- oder betriebswirtschaftlichem oder juristischem Hintergrund bei 75 Prozent. Da möge mir mal jemand erklären, warum sich unter den Millionen bestens ausgebildeter Akademikerinnen in Europa keine qualifizierte Kandidatin finden lassen sollte. Ich halte das für vorgeschobene Argumente. Schmidt sucht lieber Schmidtchen, und zwar in seinen Netzwerken.

Woran liegt das?

Es gab hier historisch gesehen kaum eine übergreifende Bewegung für Chancenfairness. In den USA haben Schwarze und Frauenrechtlerinnen Hand in Hand für ihre Rechte gekämpft. Bei uns bedienen Aktivisten überwiegend ihr eigenes Ding. Es wird nicht gemeinsam aufgezeigt, dass in diesem Land Arbeiterkinder seltener studieren können, Menschen mit türkischen Namen seltener zu Jobinterviews eingeladen werden und die Zahl der Frauen in der Führung stagniert. Das ist ein gesamtgesellschaftliches Problem.

Jetzt mal ganz abseits von Gerechtigkeit: Warum ist mehr Diversität aus unternehmerischer Sicht wichtig?

Menschenrechtsfragen mit Demografie oder Erfolgsträchtigkeit zu beantworten finde ich immer ein bisschen schäbig. Demografischer Wandel, Fachkräftelücke, eine hohe Korrelation von Diversity und geschäftlichem Erfolg – ja, das ist alles so. Als Behelfsargument will ich das gelten lassen, aber nicht als Kernargument. Außerdem: Wer nicht will, lässt sich auch davon nicht bekehren. Der Widerstand, den wir sehen, resultiert ja nicht aus mangelndem Wissen.

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