: Portugiesischer Gin aus der Kohlentwiete
Alkohol „Gin Sul“ hat der Hamburger Stephan Garbe sein Wacholderdestillat getauft. Das passt, denn der 39-Jährige hat seinem Gin eine portugiesische Note verpasst – frische Zitronen, Zistrose und ein paar Kräuter aus Odeceixe machen es möglich
von Knut Henkel
Die Idee entstand in einer lauen Sommernacht in dem portugiesischen Ort Odeceixe. Ein paar Eiswürfel klirrten im Glas, der Duft von Lack-Zistrose und Wacholder lag in der Luft – da fragte Stephan Garbe seinen Freund Miguel: „Gibt es eigentlich einen portugiesischen Gin?“, während er an seinem Gin-Tonic nippte. – Miguel verneinte und das war die Geburtsstunde von Gin Sul. Die Idee bekam Kontur, den ersten portugiesischen Gin zu kreieren – mit dem typischen Geschmack von Odeceixe.
Das kleine Dorf am Fluss Ribeira de Seixe ist so etwas wie die zweite Heimat von Stephan Garbe. Dort hat er 25 Zitronenbäume angepflanzt, dort wächst die Lack-Zistrose wie Unkraut, die dem Gin Sul die feinen Geschmacksnuancen gibt und dort wollte er eigentlich auch seinen Gin destillieren.
Doch alles kam ganz anders und so steht der 39-Jährige nun in Hamburg-Bahrenfeld vor seiner Destillieranlage und bestückt den Geistkorb mit frischen Zitronenschalen, Rosmarinzweigen, etwas Zistrose und einigen anderen Zutaten. In einer ehemaligen Tischlerei auf einem Hinterhof, wo an englischen Sportwagen und deutschen Käfern geschraubt wird, hat sich Garbe mit seiner kleinen Destillerie eingenistet.
Die „Altonaer Spirituosen Manufaktur“, die vor gut zwei Jahren die Produktion aufnahm, belegt rund 100 Quadratmeter. Hinter der Destillieranlage mit der kupfernen Brennblase prangen himmelblau gemusterte portugiesische Kacheln.
Daneben steht eine Palette mit den markanten weißen Tonflaschen, gegenüber die Abfüllanlage, wo per Hand das 43-prozentige Destillat auf die Flaschen gezogen wird. Direkt daneben befindet sich die kleine Büro-Nische, wo der Vertrieb, Verkauf und die Zollformalitäten zwischen Altona und dem Rest der Welt abgewickelt werden.
Im September 2013 wurde die Destillieranlage aus Markdorf am Bodensee angeliefert. Es war schon ein Abenteuer, die kleine Anlage, deren Brennblase gerade 100 Liter fasst, in Hamburg anzumelden und abgenommen zu bekommen.
Anders als in Süddeutschland ist das Destillieren von Obstbränden und Ähnlichem im hohen Norden eben nicht Usus und so kam Garbe durchaus ein wenig in Schwitzen, als er mit den Technikern aus dem Hause Arnold Holstein die Anlage installierte und ausprobierte. Doch letztlich lief alles glatt und ein paar Monate und etliche Destilliergänge weiter war das Rezept für „Saudade destilled in Hamburg“ gefunden.
„Saudade“ steht für den portugiesischen Blues und ist eigentlich ein nicht zu übersetzendes Wort, welches für etwas Unerreichbares steht, das zugleich schön und traurig ist. Dem hat Garbe seinen Gin gewidmet und das ist auf den aus Steinzeug gefertigten, glasierten Flaschen nicht zu übersehen. Auf denen prangt nicht nur der Schriftzug „Saudade destilled in Hamburg“, sondern auch eine alte Hadag-Fähre.
Die verbindet Hamburg und Lissabon, denn sechs der an der Elbe ausgemusterten Schiffe mit dem Spitznamen „Bügeleisen“ wurden nach Portugal verkauft und pendelten fortan für die Transtejo-Fährgesellschaft zwischen Lissabon und der südlich gelegenen Gemeinde Cacilhas. Es ergibt also Sinn, dass sie den Weg auf die schmucke weiße Tonflasche gefunden haben, die Hamburgs ersten und bisher einzigen Gin zu einem Hingucker machen.
Der ist nur in Bahrenfeld zur Welt gekommen, weil die lokalen Granden in Odeceixe von der Idee des zugewanderten Deutschen wenig hielten und anscheinend auch wenig mit der Powerpoint-Präsentation von Garbe anfangen konnten. Der kommt aus dem Marketing, was schwer zu übersehen ist, wenn man sich Flasche, Logo, Website und Auftritt der Bahrenfelder Manufaktur genauer ansieht.
Allerdings ist Garbe froh, dass er seine Agentur „Shipyard“ verkauft, einen Neuanfang gestartet hat und heute seine Kinder besser kennt als noch vor vier, fünf Jahren. „Ich hatte die Nase voll vom Texten“, sagt er frank und frei. Schnell war er sich sicher, das Richtige zu machen als er sich in die Materie reinkniete, die Fachliteratur wälzte und bei einem jungen Destilliermeister in die Lehre ging.
Als dann Gin Sul auf den Markt kam, war dem Newcomer sogleich ein prächtiger Start beschieden. „Unser Gin landete vom Fleck weg in bekannten Bars wie dem Le Lion und so mussten wir nicht Klinken putzen, sondern profitierten von der Mund-zu-Mund-Propaganda“, erzählt Garbe mit einem zufriedenen Lächeln.
Drei Angestellte kann er bereits im zweiten Jahr bezahlen und einer davon ist Destilliermeister Paul Brusdeilins. Mit ihm steht er rund dreimal pro Woche an der blitzeblanken Anlage und sorgt für Nachschub –wenn denn genug Zitronen aus Odeceixe per Post eingetroffen sind. Aber auch dieses Nachschubproblem hat Garbe mittlerweile im Griff und so läuft die Produktion derzeit wie am Schnürchen.
In der Fachwelt ist das Destillat aus der Hansestadt gut angekommen. Der Berliner Spirituosen-Papst Dr. Kochan, der ausschließlich feine, handwerklich hergestellte Destillate im Angebot hat, bietet den Gin aus der Kohlentwiete an und auch im Süden der Republik, wo die Großmeister deutscher Ginkultur destillieren, ist Gin Sul in Geschäften und Bars präsent.
Derzeit werden rund achtzig Prozent der weißen Tonflaschen in Deutschland veräußert, zwanzig Prozent gehen ins Ausland bis nach Taiwan – so manche Flasche auch nach Portugal. In Odeceixe, wo der Hamburger Gin mit portugiesischem Spirit schließlich auf die Welt kam, kann man ihn natürlich auch ordern – im Agapito, einer kleinen Bar mit Kiosk, zum Beispiel.
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