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SUHRKAMPDer neue Chef

Kürzlich bekamen die Literaturredaktionen ein Paket vom Suhrkamp-Verlag. „Frühjahr 2016“ stand drauf und „Das neue Programm“. Das machen viele Verlage so. In dem Paket: Leseexemplare einiger der in den nächsten Monaten erscheinenden Romane. Der neue Christoph Hein zum Beispiel und eine schöne handliche Sonderausgabe des Klassikers „Auf der Plaça del Diamant“ von Mercè Rodoreda. Außerdem – und das ist schon sehr lustig – ein Bändchen mit Aufsätzen sowie einem Text aus dem Nachlass von Niklas Luhmann: „Der neue Chef“.

Lustig ist das, weil das Nachwort zu dem Bändchen von Jürgen Kaube stammt, der ja als Nachfolger von Frank Schirrmacher neuer Chef bei der FAZ ist; eine schöne Ironie, mit seiner neuen Rolle umzugehen, und zugleich eine ernsthafte Reflexion darüber. Und dann ist das auch lustig, weil Suhrkamp jetzt auch selbst einen neuen Chef hat. Diese Woche wurde vermeldet, dass Ulla Unseld-Berkéwicz sich aus dem operativen Geschäft zurückgezogen hat und auf den Posten der Aufsichtsratsvorsitzenden wechselt. Damit ist nun vollzogen, was schon länger angekündigt war. Und als neuer Verleger wird endgültig der 38 Jahre alte Jonathan Landgrebe installiert.

„Hilfreich ist die Vorstellung, der Vorgesetzte habe keine Kleider an“, steht auf dem Rück­um­schlag des Bandes. Das klingt nach einem antiautoritären Spontispruch. Die Untersuchungen Luhmanns über das Verhältnis von Chefs und Untergebenen sind aber durchaus ernst zu nehmen. „Hierarchien haben eine verzerrende Wirkung auf Urteile, ja selbst auf Wahrnehmungen“, heißt es bei Luhmann an einer Stelle, und Jürgen Kaube spricht im Nachwort den möglichen Gewinn an, den es mit sich bringen könnte, hier­ar­chi­sche Strukturen einmal so kühl und reflektiert wie Luhmann zu sehen: „So könnte allein der triviale Umstand dass ,Chef‘ eine Rolle ist, der Chef zugleich aber auch eine Person, praktisch durchdacht, den Beteiligten auf beiden Seiten hier­ar­chi­scher Kommunikation viele Kurzschlüsse ersparen.“ Mitarbeiter müssten Chefentscheidungen sowie -marotten und Chefs müssten Mitarbeiterhandlungen dann nicht gleich persönlich nehmen.

Wie Jonathan Landgrebe seine jetzt endgültig installierte neue Rolle als neuer Suhrkamp-Chef und Verleger ausfüllen wird: wird man natürlich erst mal sehen müssen. Dass sie ein geradezu Luhmann-typisches Paradox mit sich bringt – dass der Suhrkamp-Verlag sich gleichzeitig treu bleiben und erneuern muss – wird er wissen. drk

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