Die Wahrheit: Der homosexuelle Mann …

Nach 20 Jahren, in denen diese Kolumne die Leser durch die schwule Welt begleitet und geleitet hat, ist es an der Zeit, eine Ära zu beenden.

Elmar Kraushaar in schwarz-weiß

Der dienstälteste Kolumnist der Wahrheit: Elmar Kraushaar im Jahr 1991. Foto: Isabel Lott

. . . geht in Rente. Ach Quatsch, das war ein Scherz! Homosexuelle Männer gehen nicht in Rente, sie werden lediglich älter, bleiben aber vital und aktiv ihr Leben lang. Das sind sie ihrer Veranlagung schuldig.

Ich aber, der Autor dieser Kolumne, höre auf. Nach dreißig Jahren, in denen ich jeden Monat meinen ganz persönlichen Blick auf die Welt der Homo- und der Heterosexuellen geworfen habe. Die ersten zehn Jahre war ich in der Berliner Stadtzeitung Siegessäule und später in dem überregionalen Monatsmagazin Magnus unterwegs, bis ich im Februar 1995 in die taz gewechselt bin.

Je einmal pro Monat – das war die Idee – wollten meine lesbische Kollegin Viola Roggenkamp und ich uns homosexueller Frauen und Männer annehmen, subjektiv, kritisch und unzensiert, ohne die Perspektive unserer heterosexuellen Kollegen zu berücksichtigen. Viola blieb nur kurz dabei und widmete sich anschließend mit ganzer Kraft ihren wunderbaren Büchern. Ich machte alleine weiter und genoss das Privileg, mich alle vier Wochen auf 100 Zeilen einem Thema oder einer Person meiner Wahl zuzuwenden.

In meiner allerersten taz-Kolumne schrieb ich über „Mr. Tagesschau“, den schwulen Werner Veigel, und den Wunsch der Schwulen nach Respektabilität und Ansehen. Ein paar Monate später landete ich einen Knaller, der katastrophale Missverständnisse nach sich zog. In dem Text kritisierte ich den feigen Umgang der Schwulenbewegung mit Pädophilen. Ich forderte, sich mit ihnen auseinanderzusetzen, anstatt sie totzuschweigen. Das bringt mir bis heute den zweifelhaften Ruf eines Pädoliebchens ein, und in vielen Medien muss diese Kolumne immer wieder als Beleg für die pädofreundliche Haltung der taz noch in den neunziger Jahren herhalten.

Zwar nur von schwulen Lesern, aber mindesten genauso heftig wurde mir ein paar Jahre später eine andere Kolumne um die Ohren gehauen. Darin erzählte ich von einem Freund, mit dem ich noch in den siebziger Jahren schwulenpolitisch unterwegs war, der sich dann aber für sein Leben anders entschied, eine Frau heiratete und Vater zweier Kinder wurde. Für meine Kritiker war klar: jetzt war ich endgültig rechts und redete den Homoheilern das Wort.

Bei aller Freiheit der Themenwahl wurde die Kolumne zweimal zensiert in den zwanzig Jahren, aparterweise jeweils von einer lesbischen Chefredakteurin, die den Text von der Wahrheit-Seite nahm und ein Erscheinen verhinderte. Der Grund für den rabiaten Eingriff hieß beide Male Jan Feddersen. Ich hatte den schwulen taz-Redakteur kritisiert, das aber war nicht erlaubt. Feddersen gehört offensichtlich zu den Unberührbaren, jedenfalls in dieser seiner Zeitung.

Selbst wenn ich die Kolumne schließe, höre ich doch nicht auf zu schreiben, andernorts und hier – in anderer Form. Denn Homo-Ehe, Volker Beck und blöden Heteros gebührt weiterhin auch Widerspruch. Und – siehe oben – schwule Männer gehen nicht in Rente.

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