Einmal Erde, bitte gut gekühlt

Klima Zum Auftakt des Weltklimagipfels in Paris sind in Berlin 17.000 Menschen auf die Straße gegangen. Die Demonstration musste auch als Ersatz für die verbotene Massenkundgebung in Paris herhalten

„Jetzt handeln“ wollen die KlimaschützerInnen – bevor der blaue Planet hinwegschmilzt Foto: Stefan Boness/Ipon

von Matthias Bolsinger

Tausende Menschen sind am gestrigen Sonntag beim „Global Climate March“ durch die Straßen von Berlin-Mitte gezogen – trotz Regen und Temperaturen um die 7 Grad Celsius. Sie demonstrierten für ein ambitioniertes und völkerrechtlich verbindliches Klimaabkommen. Aufgerufen hatten zu der Demonstration zahlreiche Organisationen, darunter Avaaz, Campact, Greenpeace und Oxfam. Das Bündnis fordert weltweit 100 Prozent erneuerbare Energien bis 2050. Die Veranstalter zählten rund 17.000 Teilnehmer.

Anlass der Klimademonstration war die heute beginnende 21. Klimakonferenz der Vereinten Nationen in Paris. Zwei Wochen lang werden rund 20.000 Delegierte aus 195 Ländern über ein neues Klimaabkommen verhandeln, das das 1997 verabschiedete Kioto-Protokoll ablösen soll. Die Erderwärmung soll so auf maximal 2 Grad Celsius begrenzt werden. Die Konferenz im Jahr 2009 in Kopenhagen, auf der große Erwartungen lasteten, hatte kein verbindliches Abkommen erzielt. „Wir wollten ein deutliches Zeichen nach Paris senden und sind überwältigt davon, wie Berlin und der Rest der Welt dem Aufruf nachgekommen ist“, sagte Christoph Schott, Kampagnenleiter von Avaaz.

Dinosaurier Kohlestrom

Um stärkere Druck auf die Verhandler in Paris auszuüben, sind an diesem Wochenende in 150 Ländern Hunderttausende auf den Straßen. In Berlin ist es am Sonntagnachmittag ein Meer aus gelben Fahnen und grünen Ballons, das vom Hauptbahnhof zum Brandenburger Tor zieht. Einige TeilnehmerInnen schieben einen „Kohlosaurus“ über den Asphalt, eine Art Reptil, dessen Rumpf aus einem Kühlturm besteht. Die Botschaft, die sie den Verantwortlichen damit senden wollen, ist eindeutig: Die Kohle als Energieträger hat für sie ausgedient.

Dem entsprechend fordern die Demonstranten den Ausstieg Deutschlands aus der Braunkohle bis spätestens zum Jahr 2030, aus der Steinkohle bis 2040. „Sigmar Gabriel, aus der Kohle, aber schnell!“, rufen sie, als sie am Bundeswirtschaftsministerium vorbeiziehen. Unter ihnen sind auch Mitglieder von „Ende Gelände“, die Mitte August den Braunkohle-Tagebau in Garzweiler besetzt und den Betrieb dort zum Erliegen gebracht hatten. „Wenn wir verhindern wollen, dass die Erderwärmung unbeherrschbar wird, dann müssen in Deutschland 90 Prozent der fossilen Ressourcen im Boden bleiben. Merkel muss in Paris den Ausstieg aus der Kohlekraft verkünden“, fordert Christoph Bautz, Geschäftsführer von Campact, auf der Schlusskundgebung.

In ihren Beiträgen machen die Redner deutlich, dass die Zeit für ein verbindliches Klimaabkommen drängt. Die Chancen dafür stünden gut. Zahlreiche Konzerne würden sich allmählich aus der Finanzierung fossiler Energieträger zurückziehen. Außerdem liege ein Vertragstext für ein Klimaabkommen vor. „Aber die Zusagen der Staaten sind zu lasch“, gibt Karsten Smid von „Greenpeace“ zu bedenken.

Einig ist man sich daher, dass der Kampf gegen den Klimawandel auch nach der Pariser Konferenz nicht zu Ende sei. „Paris kann ein Wendepunkt sein, aber wir dürfen den Weg in die Zukunft nicht den Politikern überlassen“, sagt Christoph Schott. Auch Formen zivilen Ungehorsams begrüßen die Redner. „Wir können unsere Ziele nicht im Konsens mit Eon, RWE und Vattenfall“ erreichen, erklärt Christoph Bautz. „Wir müssen uns mit ihnen anlegen.“

„Sigmar Gabriel, aus der Kohle, aber schnell“

Parole der Demonstrierenden
Hart getroffen

Vor Ort in Paris können die Aktivisten ihre Forderungen offiziell nicht stellen. Dort herrscht seit den Terroranschlägen vom 13. November ein öffentliches Versammlungsverbot. Die internationalen Klimaschützer hatte diese Ankündigung hart getroffen. „Ein ganzes Jahr haben wir auf den Termin hingearbeitet“, so Christoph Schott. Deshalb sollte der Global Climate March in Berlin auch ein Stellvertretermarsch für all jene sein, die in Paris nicht auf die Straße können.

Immerhin: Auf indirekte Weise soll auch dort ganz groß demonstriert werden. Videomaterial von zahlreichen Veranstaltungen auf der ganzen Welt soll gesammelt und auf dem Konferenzgelände auf eine Leinwand projiziert werden.

paris.taz