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„Die Warteschlangen müssen verschwinden“

Flüchtlinge Das Lageso kündigt viele Verbesserungen an, setzt sie aber nicht um, kritisiert Stadträtin Simone Smentek: Immer noch müssen jede Nacht Kinder vor dem Amt in Moabit ausharren

Interview Uta Schleiermacher

taz: Frau Smentek, Anfang dieses Monats haben Sie in einem Brief an Sozialsenator Mario Czaja (CDU) angeprangert, dass jede Nacht Kinder vor dem Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso) in Moabit warten müssen. Sie haben den Senator aufgefordert, den Kinderschutz dort zu gewährleisten. Was hat sich seitdem getan?

Sabine Smentek: Es hat Gespräche und Ankündigungen gegeben. Das Lageso versucht, den Kinderschutz zu gewährleisten. Es sind Dinge in Bewegung. Und ich fühle mich mit meinem Ansinnen und dem Kinderschutz ernst genommen.

Was ist konkret passiert?

Ich habe Gespräche mit Dieter Glietsch, dem Leiter des Koordinierungsstabs für Flüchtlingsfragen, und dem Leiter des Lageso, Franz Allert, geführt, und ihnen die Missstände geschildert. Mittwoch kam nach der wöchentlichen Besprechung vom Lageso dann eine Pressemitteilung, in der ich einiges aus diesen Gesprächen wiedererkannt habe. Das Lageso hat unter anderem mitgeteilt, dass es jetzt ein neues Verfahren für die Terminkunden gibt, und sie schon erste gute Erfahrungen damit gemacht haben. Das habe ich bisher aber noch nicht gesehen.

Ich habe gehört, dass Sie vergangene Woche wieder am Lageso waren und fast geweint haben. Stimmt das?

Das stimmt. Am Mittwochabend bin ich um halb zehn nach einem Termin noch mal vorbei gefahren. 30 Flüchtlinge saßen dort eng zusammen und haben sich aneinander gewärmt. Das war der Moment, wo mir die Tränen gekommen sind und ich gemerkt habe: Es geht nicht mehr nur um Kinderschutz, es geht um Humanität. Ich fühle mich politisch und menschlich verpflichtet, etwas dagegen zu tun.

Ist die Situation vor dem Amt also doch eher schlimmer geworden?

Sabine Smentek

ist seit Januar 2014 für die SPD Bezirksstadträtin für Jugend, Schule, Sport und Facility Management im Bezirk Mitte.

Sie ist anders. Während die Neuankömmlinge jetzt halbwegs organisiert bearbeitet werden, bestimmen diejenigen Geflüchteten das Bild, die schon länger hier sind und aus diversen Gründen zum Lageso müssen. Sie bekommen zwar einen Termin. Aber da mehr Termine für einen Tag vergeben werden, als bearbeitet werden können, stellen sie sich eben am Vorabend ab 21 Uhr an, um auch wirklich am nächsten Tag dranzukommen.

Es warten weiterhin Frauen und Kinder abends und nachts am Lageso.

In der erwähnten Pressemitteilung stand auch, dass Familien nicht mehr aus den Unterkünften entfernt werden dürfen, sondern dass die Betreiber der Unterkünfte die Kostenübernahmen direkt beim Lageso verlängern sollen. Auch das ist bisher noch nicht umgesetzt worden. Das muss das Lageso jetzt durchsetzen.

Das Lageso erklärt allerdings, das sei schon so. Was stimmt denn nun?

Das sind alles Absichtserklärungen. Ich erwarte jetzt, dass wir kurzfristig mitbekommen, dass sie auch umgesetzt werden. Und ich erwarte, dass die Warteschlangen nachts auf der Straße vor dem Landesamt verschwinden.

Rassistischer Angriff auf Flüchtlinge

Zwei Asylbewerber sollen am Samstagabend auf dem Gelände einer Flüchtlingsunterkunft im Stadtteil Marzahn von einer Gruppe Außenstehender rassistisch attackiert worden sein. Laut Zeugenaussagen sollen um kurz nach 22 Uhr insgesamt sechs Personen widerrechtlich das Gelände am Glambecker Ring betreten und dort die 28- und 33-jährigen Bewohner bespuckt und fremdenfeindlich beleidigt haben, teilte die Polizei am Sonntag mit. Zudem soll einer der Angreifer versucht haben, den 33-Jährigen mit einer Bierflasche zu schlagen. Nur durch Ausweichen sei es dem Angegriffenen gelungen, dieser gefährlichen Attacke zu entgehen. Anschließend sollen sich die unbekannten Pöbler mit vier weiteren vor der Unterkunft wartenden Personen in Richtung Parsteiner Ring entfernt haben. Der Polizeiliche Staatsschutz hat die Ermittlungen aufgenommen. (epd)

Auch der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) hat in seiner Regierungserklärung vor zehn Tagen im Abgeordnetenhaus gesagt, dass er die Bilder vorm Lageso nicht mehr sehen möchte. Was können Sie persönlich bewirken?

Ich habe als Jugendstadträtin formalrechtlich keine Handhabe. Aber trotzdem kann ich etwas tun. Und ich werde nicht locker lassen, bis ich Taten sehe.

Haben Sie denn eine Frist gesetzt?

Ab jetzt werde ich täglich nachfassen, ob sich etwas ändert. Ich lasse nicht locker.

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