Und der Vergangenheit zugewandt

Revue Das Deutsche Theater bereitet die unamerikanischen Umtriebe des Hanns Eisler auf

Hanns Eisler, wer war das noch mal? Gibt es nicht eine Musikschule, die nach dem benannt ist, irgendwo in Mitte? Richtig, in Schlossnähe. Hanns Eisler muss früher mal so eine musikalische Größe gewesen sein. Mit früher ist hier die DDR gemeint.

Tatsächlich war Hanns Eisler einer der bekanntesten Komponisten der Weimarer Republik; er war in der Arbeiterbewegung aktiv und Freund und zweiter Hauskomponist – neben Kurt Weill – von Bertolt Brecht. Eisler komponierte Arbeiter- und Kunstlieder. Nach dem Exil in Hollywood, wo er eine leidliche Karriere hinlegte, engagierte er sich politisch in der neu entstandenen Deutschen Demokratischen Republik, für die er schließlich die Nationalhymne komponierte. Vielleicht seine heute berühmteste Melodie.

Doch Eisler war viel mehr als das. Am Donnerstagabend widmeten ihm Tom Kühnel und Jürgen Kuttner in ihrer Aufarbeitungsreihe am Deutschen Thea­ter Berlin einen ganzen Abend, eine Mischung aus Revue und dramatischer Annäherung. Sie setzte sich besonders mit einem wesentlichen Aspekt seines Lebens auseinander: dem Verhör vor dem McCarthy-Tribunal, dem Komitee für unamerikanische Umtriebe, das 1947 begann und mit Eislers Rückkehr nach Europa 1948 endete.

Hopper’sche Szenen

Kühnel und Kuttner spielen das Verhör nach. Kuttner lässt es sich nicht nehmen, als eine Art Schiffsanimateur aufzutreten, eine sympathische Rolle, die im Laufe des Stücks „Eisler on the Beach“ leider untergeht. Überhaupt lassen sich schnell zwei bis drei Dinge feststellen. Erstens: Eisler war in Hollywood, er wohnte wie Thomas Mann in Pacific Palisades. Den Strand jedoch betritt er während dieses Theaterabends nicht ein einziges Mal. Dafür haben sich Kühnel und Kuttner sowie Jo Schramm (Bühne) andere kali­for­nische Szenerien ausgedacht: So wurden Bilder von Edward Hopper nachgebaut. Die Frau auf dem Bett beim offenen Fenster, der berühmte Diner, die Treppe vor dem Strandhaus. Dazu ein Ho­tel­eingang – die Bühne war überzeugend bis großartig.

Zweitens: Das Briefing der Schauspieler war schlichtweg genial. Besonders Maren Eggert überzeugte mit Posen, die zunächst das Berlin der goldenen Zwanziger und dann anschlusslos Remineszenzen an Hollywood wachriefen. Ole Lagerpusch spielte den jungen Eisler mit rühmanneskem Klamauk; Jörg Pose sah wohl noch nie so gut aus wie hier als FBI-Agent und, in Doppelrolle, als der ältere Gerhart Eisler, dem älteren Bruder und Komintern-Mitglied. Kurzum: Die Schauspieler waren die Säule des Stücks.

Denn drittens: Bis auf die fantastische Übertragung des Verhörs auf eine Liebesszene mit Eggert und Lagerpusch als Eisler und oberster Richter(in) fehlte dem Stück etwas.

Zu wenig Kommunismus

Was? Angekündigt war der Abend als „kommunistische Familienaufstellung mit Musik“. Vom Kommunismus gab es nicht viel mehr als Schlagworte und undeutliche Zusammenhänge – für DDR-geschulte Besucher war das vermutlich völlig ausreichend; geht man aber von einer westdeutschen Nach-Mauerbau-Sozialisation aus, dann wirkt die Szenerie historisch sehr, sehr weit entfernt. Dabei ist ja besonders die Familiengeschichte der Eislers interessant: Schwester Ruth ist Gründungsmitglied der KPÖ, später sogar kurzzeitig Kovorsitzende der KPD, bis sie im Exil und in Parteiquerelen verschwindet – und als Zeugin der Anklage (!) in besagtem McCarthy-Verhör wieder auftaucht. Im Hintergrund steht dazu ihr toter Geliebter Arkadi Maslow, hinter dessen Ermordung vermutlich der Komintern, also ihr großer Bruder Gerhart Eisler, stand.

Aber diese Familienfehde bildet leider nicht viel mehr als einen kurz lauter werdenden Hintergrund. „Eisler on the Beach“ konzentriert sich auf Hanns Eisler: auf seine Musik (hier von den Schauspielenden und der Bolschewistischen Kurkapelle Schwarz-Rot dargebracht) und auf seine tollpatschigen Äuße­rungen vor dem Tribunal, die zeigen, wie heftig er zwischen Anpassung an den amerikanischen „Merkantilismus“ (Brecht), also an das milde Hollywood, und seinen kommunistischen Idealen hin und her gependelt sein muss.

Warum das 2015 jenseits der geschichtlichen Aufklärung noch von Interesse sein soll, bleibt unklar. Dabei steckte ja mehr Brisanz in dem Stoff: Kühnel und Kuttner haben brillante Ideen, was die Umsetzung angeht (die Kostüme von Daniela Selig seien auch noch genannt), konzentrieren sich aber auf einen Nebenaspekt. Und Eislers Musik hat inzwischen reichlich Staub angesetzt. René Hamann