: Kein ungestörtes Gedenken
9. November Am Jahrestag der Reichspogromnacht gab es in Berlin mehrere antisemitische Vorfälle
Die Bilanz sieht nicht gut aus: Mehrere antisemitische Vorfälle haben das Gedenken zum 77. Jahrestag der Reichspogromnacht am Montag überschattet. Wie aus einer Aufstellung der Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus (RIAS) hervorgeht, wurden in der Nacht vom 9. auf den 10. November verschiedene Orte des Gedenkens in Moabit mit judenfeindlichen Äußerungen beschmiert. Auf das Mahnmal an der Putlitzbrücke etwa schrieben Unbekannte in schwarzer Farbe die Worte „Gaskammer-Lüge“. Auch das Mahnmal an der Levetzowstraße wurde beschmiert, unter anderem mit dem Schriftzug „Holohoax – die Täter sind Zionisten“.
In Marzahn wurden ebenfalls drei Einrichtungen durch antisemitische Schmierereien beschädigt, darunter das Stadtteilzentrum Marzahn-Mitte, auf dessen Fensterfront ein „J.“ und ein Davidstern aufgemalt wurden. Das von der Volkssolidarität betriebene Zentrum ist für die Anwohnerkommunikation über das Flüchtlingsheim am Blumberger Damm zuständig, gegen das es bereits seit über einem Jahr rassistische Proteste gibt. Die beiden anderen beschädigten Einrichtungen sind laut RIAS ebenfalls in der Flüchtlingshilfe aktiv.
Ebenfalls angefeindet wurden die Teilnehmer der traditionellen antifaschistischen Gedenkdemonstration in Moabit. Mehrere TeilnehmerInnen berichteten laut RIAS von Beschimpfungen durch Menschen am Rand der Demoroute, die etwa „Scheißjuden“ riefen. Am Ende der Demonstration sei außerdem ein volles Tetrapak aus einem Fenster auf die Demonstration geworfen worden.
Rechte Aufmärsche
Darüber hinaus nutzten verschiedene rechte Parteien und Gruppierungen den 9. November für ihre Veranstaltungen. Die NPD etwa gedachte nur wenige hundert Meter vom „Mahnmal für die ermordeten Juden Europas“ am Brandenburger Tor der Opfer des DDR-Regimes. Der Landesvorsitzende der NPD, Sebastian Schmidtke, bezeichnete während seiner Rede auf der Veranstaltung den 9. November als „Tag, an dem die Deutschen Geschichte schrieben“. Mit rund 120 Teilnehmern veranstaltete zeitgleich die Bewegung „Bärgida“ ihren „Abendspaziergang“ und lief dabei mit Reichsfahnen und Reichskriegsflaggen an der Synagoge Rykestraße vorbei, die 1938 von Nazis in Brand gesetzt worden war. TeilnehmerInnen der Demonstration sollen dabei „Nationaler Sozialismus jetzt“ skandiert haben.
RIAS betreibt seit Juli ein digitales Meldesystem für antisemitische Vorfälle, in dem Betroffene und ZeugInnen ihre Beobachtungen weitergeben können. Hannah Wagner
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