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Ausgezeichnete Luftwurzeln

LITERATUR Der einst aus dem Iran geflüchtete Madjid Mohit und sein Sujet-Verlag bekommen den Hermann-Kesten-Preis des PEN-Zentrums

„Ich kenne keine andere Literatur, die so viel Genuss macht wie Lyrik“

Madjid Mohit, Verleger

Der Bremer Verleger Madjid Mohit (54) bekommt am Mittwoch den Hermann Kesten-Preis des deutschen PEN-Zentrums. Die mit 10.000 Euro dotierte Auszeichnung erhält der gebürtige Teheraner „für seine kontinuierliche und beeindruckende Arbeit für Autoren, die nicht in ihrem Heimatland leben und publizieren wollen oder können“. Mohit, Betreiber des Sujet-Verlags, flüchtete Anfang der 1990er-Jahre vor der Zensur im Iran und verkauft nun in Bremen „Luftwurzelliteratur“.

Mohit widme sich einer Literatur, die ortsunabhängig wirke, von Autoren geschrieben, die in einem fremden Land grenzübergreifend die hiesige Kulturlandschaft bereicherten, urteilt die Autorenvereinigung PEN. „Sujet“ heißt im Persischen so viel wie „Thema“. „Ein idealer Name für einen Verlag, der sich der großen Tabu-Themen in meiner Heimat annimmt wie Politik, Sexualität, Moderne und Verfolgung“, sagt Mohit, der aus einer alten Verleger-Familie stammt. Sein Großvater pub­lizierte das erste deutsch-persische Wörterbuch. Im Verlagsprogramm finden sich aktuell mehr als 150 Titel: Krimis, Satire, Sachbücher sowie Gedichtbände, vor allem moderne iranische Lyrik. Und eben „Luftwurzelliteratur“ von Autoren, die nicht an einen Ort gebunden sind und nicht mit wehmütigem Blick in ihre Heimat zurückblicken, sondern ihre Erfahrungen vom Leben in unterschiedlichen Kulturen schildern.

Wäre alles nach Plan gelaufen, würde es Sujet gar nicht geben. Denn als Mohit nach dem Todesurteil des Ajatollah Chomeini gegen den indisch-britischen Schriftsteller Salman Rush­die, aus dem Iran floh, wollte er nach Kanada. Doch er strandete in Frankfurt am Main und kam als Asylsuchender nach Vechta. Er fühlte sich einsam, „hing in der Luft“, wie Mohit selbst sagt. Ein schwieriger Start. „In Deutschland musste ich zunächst die Sprache lernen, bevor ich wieder in meiner Branche aktiv sein konnte.

Später kam er nach Bremen und gründete dort 1996 den Sujet-Verlag. Mit einer Druckmaschine erledigte er kleine Aufträge, um sein erstes Buch zu finanzieren, „Die Schatten“ von Mahmood Falaki. Mittlerweile ist das Verlagsprogramm vielfältig. Doch Lyrik bleibt eine wichtige Säule. Er kenne keine andere Form der Literatur, „die so viel Genuss macht wie Lyrik“, sagt Mohit. Zu den neuesten Büchern gehört der zweisprachige Gedichtband „Unter dem Schnee“ mit Texten der Bremer Schriftstellerin Inge Buck, die Mohit ins Persische übertragen hat. Buck wird auch die Laudatio halten. (epd/taz)

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