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„Wir müssen wachsam sein“

Interview Die birmesische Autorin Ma Thida warnt vor voreiligem Triumph der Opposition

Foto: asia on the edge
Ma Thida

ist eine der führenden Intellektuellen Birmas und Redakteurin einer Zeitschrift. Als Ärztin von Aung San Suu Kyi wurde sie zu 20 Jahren Haft verurteilt. Später durfte sie schwer erkrankt in die USA ausreisen und wurde Schriftstellerin.

taz: Frau Thida, die bisher regierende USDP hat ihre Niederlage eingestanden. Überrascht Sie das?

Ma Thida: Die Partei hat damit einen weiteren positiven Schritt gemacht. Sie hat bewiesen, dass sie die Realität akzeptieren kann. Damit habe ich so nicht gerechnet. Überrascht bin ich auch über den haushohen Sieg der NLD, der sich gerade abzeichnet. Ich habe nicht daran gezweifelt, dass sie gewinnt. Aber dass die Ergebnisse so deutlich ausfallen, wie wir aus einigen Wahlkreisen bereits jetzt wissen, überrascht mich doch.

Könnte die Regierungspartei oder das Militär das Ergebnis noch manipulieren?

Natürlich kann das noch passieren. Das Wahlergebnis soll erst Ende November offiziell verkündet werden. Wir wissen auch, dass die Wahlkommission und das Militär einander nahestehen. Zudem waren die Wählerlisten voller Fehler. 2010 hatte die USDP vor allem die Stimmen aus der Briefwahl benutzt, um das Ergebnis zu manipulieren. Die im Voraus abgegebenen Stimmen sind heute noch nicht gezählt. Der Prozess ist also längst nicht abgeschlossen. Wir müssen wachsam sein.

Ist das Volk genauso misstrauisch wie Sie?

Selbstverständlich. Das birmesische Volk hat zu Recht kein Vertrauen in das Militär und die USDP. Die Menschen reagierten extrem sensibel auf jede vermeintliche Ungerechtigkeit am Wahltag und davor. Dass sogar aussichtsreiche USDP-Kandidaten von den Wählern abgestraft wurden, beweist das. Die Menschen wollen der Militärpartei eine klare Abfuhr erteilen.

Wie ist die Stimmung im Land?

Verständlicherweise ist das Misstrauen sehr groß. 1990 wurde der Sieg der NLD vom Militär ignoriert, 2010 wurde das Ergebnis manipuliert. Die Menschen bleiben skeptisch. Sie standen am Sonntag abends an den Wahllokalen und haben den Wahlhelfern beim Auszählen der Stimmen auf die Finger geschaut. Die Birmesen können stolz auf sich sein. Die Wahl verlief friedlich. Die Menschen sind nun geduldig und ruhig. Dieses Volk verdient die Demokratie.

Was könnte der NLD den Triumph noch nehmen?

Unter- und Oberhaus sowie das Militär nominieren einen Kandidaten für das Amt des Präsidenten. Auch wenn die NLD gut abschneidet, kann es passieren, dass sie den Präsidenten nicht bestimmen kann und nur eine legislative Mehrheit hat. Wir wissen noch nicht, wie die ethnischen Parteien abschneiden werden und ob sie die NLD unterstützen.

Die NLD macht ein großes Geheimnis darum, wem sie ins Präsidentenamt verhelfen will. Auf wen tippen Sie?

Ich weiß es nicht. Jedenfalls sollte es jemand mit einem Mandat vom Volk sein. Die NLD könnte theoretisch auch eine außenstehende Person nominieren. Das hielte ich aber für falsch. Interview Verena Hölzl

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