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Besser schon mal Oma anrufen

Streik Bald könnten wieder einige Kitas schließen: Ina-Kindergarten und Gewerkschaft streiten um Geld. CDU will mehr Tariflohn für ErzieherInnen an landeseigenen Kitas

Ungemach könnte Berliner Eltern drohen, wenn der Kita-Streit vom Frühjahr wieder aufflammt Foto: Thomas Koehler/photothek.net

von Anna Klöpper

Gewinnrücklage ist ein schönes Wort: Es klingt nach reichlich viel Geld im Sparstrumpf. Rund 5,5 Millionen Euro hat die Ina.Kindergarten gGmbH in ihren Bilanzen der letzten beiden Jahren als „Gewinnrücklage“ ausgewiesen. Doch der gemeinnützige Träger von berlinweit 18 Kindertagesstätten mag sich trotzdem partout nicht mit der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) über mehr Lohn für die rund 450 angestellten ErzieherInnen einigen. Über ein Jahr diskutierte man ergebnislos, nun will die GEW laut Verhandlungsführer Udo Mertens über „Kampfmaßnahmen“ beraten: Am heutigen Montagabend will die GEW mit ihren Mitgliedern über einen möglichen Streik beraten.

Der Fall Ina.Kindergarten ist ein Beispiel für die „Lohnlücke“, die sich zwischen ErzieherInnen im öffentlichen Dienst und den bei privaten Trägern Angestellten auftun kann. Während das Land Berlin einer BerufsanfängerIn rund 2.350 Euro Tariflohn im Monat zahlt, verdient eine ErzieherIn im ersten Jahr bei Ina.Kindergarten etwa 155 Euro weniger. Allerdings zahlen laut GEW nicht alle privaten Träger schlecht: „Ina.Kindergarten ist ein Negativbeispiel“, sagt Mertens.

Die GEW will nun insgesamt 10,25 Prozent mehr Gehalt in drei Lohnrunden für die Ina-Angestellten erreichen: Ab März 2016 würden sie dann 2.425 Euro auf dem Gehaltszettel haben – die Lücke zu den ErzieherInnen an den landeseigenen Kitas wäre damit geschlossen, denn deren Gehalt steigt im selben Zeitraum auf nahezu den gleichen Betrag an.

Verständnis für Bilanzen

Das letzte Angebot der Ina-Geschäftsführung waren jedoch nur 8,5 Prozent mehr Lohn und eine Einmahlzahlung von jeweils 500 Euro an die MitarbeiterInnen, mehr könne man nicht leisten. Zu wenig, heißt es vonseiten der Gewerkschafter, man vermisse insbesondere schlüssige Belege „für die immer wieder betonte angespannte Finanzsituation“.

Bei Ina.Kindergarten vermisst man hingegen Verständnis für Bilanzen. „Herr Mertens versteht offenbar nicht, dass Gewinnrücklagen kein real zur Verfügung stehendes Geld sind“, sagt Ko-Geschäftsführerin Regine Schallenberg-Dieckmann. Ein Beispiel sei der Ina-Kindergarten in der Brüsseler Straße in Wedding. Dort habe man 350.000 Euro Fördermittel für dringende Sanierungsarbeiten an Fenstern und Fußböden bewilligt bekommen. „Die tauchen als Gewinnzuwachs in der Bilanz auf, sind aber natürlich schon ausgegeben. Da könnte ich den Erziehern also ein Fenster mit nach Hause geben, aber nicht mehr Gehalt.“

Die GEW wirft der Geschäftsführung hingegen vor, „die vom Land Berlin zur Verfügung gestellten Mittel für Personalkosten“ nicht an die MitarbeiterInnen weiterzugeben – sondern in die Gewinnrücklage zu stecken. Ina.Kindergarten macht hingegen Mehrausgaben etwa für die betriebliche Altersvorsorge geltend.

Beim letzten dreitägigen Warnstreik im Frühjahr hatte die Ina-Kita in der Dresdner Straße in Kreuzberg komplett geschlossen, in der Kita am Augustenburger Platz in Wedding gab es einen Notdienst. „In den übrigen Kitas konnten wir die Ausfälle mit kurzfristig angeheuerten Kräften von Zeitarbeitsfirmen abfangen“, sagt Schallenberg-Dieckmann.

Ina-Kindergärten

Die Ina.Kindergarten gGmbH ist Träger von 18 Kindertagesstätten in Berlin und beschäftigt rund 450 ErzieherInnen. Sie stellt ein Beispiel für die sogenannte Lohnlücke dar, die sich bei der Entlohnung zwischen ErzieherInnen im öffentlichen Dienst und denen auftut, die bei privaten Trägern angestellt sind – es geht dabei um rund 100 bis 150 Euro.

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft fordert 10,25 Prozent mehr Gehalt, um diese Lohnlücke zu schließen. Das letzte Angebot der Ina-Geschäftsführung lag bei 8,5 Prozent. Der letzte Warnstreik in Ina-Kitas fand im Frühjahr statt. (taz)

Weitaus größeres Ungemach könnte Berliner Eltern drohen, wenn der Kita-Streit vom Frühjahr wieder aufflammt. Damals waren bundesweit ErzieherInnen an kommunalen Kitas in den unbefristeten Ausstand getreten – Berlin war nicht betroffen, weil an den öffentlichen Kitas in der Hauptstadt ein anderer Tarifvertrag gilt. Die Verhandlungen über die Eingruppierung in eine höhere Tarifklasse scheiterten, seit Oktober sprechen der Verband der kommunalen Arbeitgeber (VKA) und Gewerkschaften aber erneut miteinander.

Durchaus Grund zu streiken

Sind die Gewerkschaften dieses Mal erfolgreich mit ihrer Forderung, wären die ErzieherInnen in den Ländern tariflich deutlich besser gestellt als die mehreren tausend Berliner KollegInnen an den fünf landeseigenen Kita-Trägern. Die Lohndifferenz bei den Einstiegsgehältern würde rund 100 Euro betragen. Durchaus ein Grund zu streiken, wie es schon im Mai aus Gewerkschaftskreisen hieß.

Auch die Berliner CDU sprach sich auf einem Kleinen Parteitag zur Familienpolitik am vergangenen Donnerstag für die Angleichung des in Berlin gültigen Tarifvertrags der Länder (TV-L) an den sonst gültigen Tarifvertrag des öffentlichen Diensts (TVöD) aus: „Dies wäre ein geeignetes Mittel gegen den Fachkräftemangel und zur langfristigen Bindung von gutem Personal“, heißt es in dem Antrag.

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