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Da stinkt der Auspuff doch noch mehr

VOLKSWAGEN Der Autokonzern räumt ein, dass es nicht nur bei Dieselmotoren, sondern ebenso bei Benzinern „Unregelmäßigkeiten“ gibt. Die deutschen Behörden hatten auch diesen Skandal nicht bemerkt

von Jost Maurin

BERLIN taz | Volkswagen hat seinen Kunden und der Umwelt noch stärker geschadet, als bisher im Abgasskandal bekannt geworden war: Der Autokonzern räumte nun ein, dass auch der Kraftstoffverbrauch und der Ausstoß des Treibhausgases Kohlendioxid (CO2) bei mehreren Modellen „zu niedrig“ angegeben worden seien – also nicht nur die Emissionen der gesundheitsschädlichen Stickoxide, die bisher im Fokus standen. Es geht auch nicht mehr ausschließlich um Dieselmotoren: Von rund 800.000 wahrscheinlich betroffenen Fahrzeugen seien etwa 100.000 Benziner, teilte VW-Sprecher Michael Franke am Mittwoch der taz mit.

Jetzt könnten höhere Kfz-Steuern fällig werden

Anders als bei den Stickoxid-Angaben für mindestens 11 Millionen Diesel-Fahrzeuge hat das Unternehmen jetzt nicht illegale Manipulationen, sondern nur „Unregelmäßigkeiten“ zugegeben. Ein VW-Mitarbeiter verriet der Konzernführung laut Wirtschaftswoche jedoch, dass bei Messungen auf dem Rollenprüfstand und bei der Auswertung der Messdaten betrogen wurde.

Für VW mit seinen ungefähr 600.000 Mitarbeitern bedeutet das noch höhere Verluste. „Die wirtschaftlichen Risiken werden in einer ersten Schätzung auf rund 2 Milliarden Euro beziffert“, so das Unternehmen. Seine Aktien rauschten um fast 11 Prozent in die Tiefe, was auch den Anteilseigner Niedersachsen schmerzen dürfte. Unklar ist, ob VW bei der Berechnung der Risiken schon mögliche EU-Strafzahlungen berücksichtigt hat. Denn Brüssel verpflichtet die Autohersteller seit 2012 dazu, dass ihre Flotten insgesamt bestimmte CO2-Limits einhalten. Schließlich kamen 2013 laut Umweltbundesamt 16 Prozent der Treibhausgase in Deutschland aus dem Straßenverkehr.

Auch die Kunden wurden betrogen. Ihnen gaukelte das Unternehmen einen utopisch niedrigen Kraftstoffverbrauch vor. Für diese Autos wird nun möglicherweise auch mehr Kraftfahrzeugsteuer fällig. Denn die Abgabe wird unter anderem nach dem CO2-Ausstoß bemessen. Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt kündigte jedoch im Bundestag ein Gesetz an, wonach VW die Mehrkosten übernehmen muss. Das würde für 200.000 Fahrzeuge gelten, die in Deutschland unterwegs seien.

Mit diesen Ankündigungen will der CSU-Politiker auch seinen eigenen Kopf aus der Schlinge ziehen. Denn das ihm unterstellte Kraftfahrbundesamt gerät wegen der neuen Enthüllungen noch stärker unter Druck. „Schon wieder ist so eine Betrügerei nicht durch die Behörden aufgedeckt worden“, kritisierte Bärbel Höhn, Vizevorsitzende der Grünen-Bundestagsfraktion. Vor einem Monat erst hatte Dobrindts Ministerium erklärt, es wisse nichts von illegalen Praktiken bei der Ermittlung des Spritverbrauchs.

Dabei hatten Umweltschützer und Wissenschaftler schon seit Jahren darauf hingewiesen, dass die realen von den offiziellen Messwerten zum Teil drastisch abweichen. VW kam in einer Studie der Organisation ICCT auf Basis realer Verbrauchsdaten im Schnitt auf 37 Prozent mehr Verbrauch als angegeben. Die Wolfsburger sind dabei keineswegs eine Ausnahme: Bei Daimler betrug die Abweichung sogar 48, bei Toyo­ta 41 Prozent.

Das Kraftfahrtbundesamt gewinnt noch Erkenntnisse

Das liegt zum einen daran, dass die vorgeschriebenen Messungen im Labor unrealistisch sind – zum Beispiel werden keine Geschwindigkeiten über 120 Kilometer pro Stunde simuliert. Zum anderen aber eben auch an Manipulationen, wie die aktuellen Fälle belegen. Gefragt, warum dem Kraftfahrtbundesamt die höheren VW-Werte nicht früher auffielen, antwortete ein Behördensprecher: „Das ist jetzt zu klären. Da befinden sich die Kollegen in einer Phase des Erkenntnisgewinns.“

Daimler dementierte un­terdessen, Tests manipuliert zu haben. Der Konzern will auch den Dieselanteil seiner Flotte nicht reduzieren, weil dieser Motor auf die Leistung um­gerechnet weniger CO2­ausstößt. Aber er produziert eben auch mehr zum Beispiel krebserregende Abgase.

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