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Teuflische Angelegenheiten

BÖSES Das Ausland in Prenzlauer Berg zeigt Bilder und Arbeiten des schwedischen Künstlers Ragnar Persson, die sich mit den Verbrechen in der norwegischen Black-Metal-Szene beschäftigen

von Thomas Mauch

Es soll um Mord und Totschlag gehen an dieser Stelle. Wobei man sagen muss, dass die Wirklichkeit diesbezüglich der Kunst mit ihren Möglichkeiten der Fiktion doch hinterherhinkt.

Wer sich für dieses blutige Geschäft interessiert, der greift gern zu einem Schweden-Krimi, der als eindringliche Lektüre gilt in diesem Genre. Auch, weil in den Schweden-Krimis die Sache mit dem Mord und dem Totschlag oft mit einem kritischen Blick auf die schwedische Gesellschaft verknüpft ist.

Wenn man so will, kann man die Bücher von Henning Mankell oder die Millennium-Trilogie von Stieg Larsson deswegen auch als Enthüllungsromane lesen. Sie demaskieren, wie schlimm es um diese (schwedische) Welt bestellt ist.

Dabei gilt das skandinavische Land in der weniger blutroten Wirklichkeit nicht gerade als der Bronx-Hinterhof Europas. Selbst wenn es nicht unbedingt ein idyllisches Bullerbü sein mag, scheint da sogar einiges in Ordnung zu sein. Müssten sich die schwedischen Krimiautoren jedenfalls die tatsächlich in ihrem Land anfallenden Tötungsdelikte teilen, käme die Buchproduktion ziemlich schnell ins Stocken. Gezählte 68 waren es im Jahr 2012. Da lebt es sich vergleichsweise schon gefährlicher in Deutschland, mit einer zehnmal so hohen Tötungsrate.

Und damit kämen wir direkt zur Ausstellung des schwedischen Künstlers Ragnar Persson, die an diesem Wochenende im Ausland in Prenzlauer Berg eröffnet. Dort bekommt man einen besonders kunstvollen Schrecken an die Hand: eine Collage aus Verhörprotokollen, Interviews, Transkriptionen von abgehörten Telefongesprächen und auch Songtexten, Plattenrezensionen, Konzertpostern und sonstige Szene-Beigaben, die bei dieser Mordgeschichte eine signifikante Rolle spielen – alles „Documents Pertaining to the Murder of Robert Risberg in Uddevalla 13/05/96“, wie der Untertitel dieser von Pär Thörn und Persson zusammengetragenen Collage verrät. Am heutigen Samstag wird dieses schwedische Buchprojekt unter dem Titel „A Truer Reality“ vorgestellt: eine wahre Geschichte, die in der gern dem Exzess zugeneigten Black-Metal-Szene spielt.

Die wahrere Wirklichkeit

In dem Buch „Reality is transcribed“ geht es um einen Mordfall in der skandinavischen Black-Metal-Szene, der von Pär Thörn und Ragnar Persson in einer Text-Bild-Collage nachgezeichnet wird. Mit einer Lesung samt einer begleitenden Ausstellung wird das Buch am heutigen Samstag im Ausland, Lychener Straße 60, um 21.30 Uhr vorgestellt. Die Ausstellung ist nochmals am Sonntag ab 15 Uhr im Ausland zu sehen. Die Lesung und der anschließende Talk mit den Künstlern ist auf Englisch.

Zur weiteren Vertiefung in den Black-Metal-Kosmos gibt es bei der Doku-Fiction-Veranstaltung unter dem Titel „A Truer Reality“ am Samstag noch ein Konzert mit Greta Christensen, bei dem die Turntable-Avantgardistin mit alten Black-Metal-Scheiben arbeiten wird. Bei der Partyrunde zum Schluss des Abends soll die Musik aber, versprechen die Veranstalter, gut tanzbar sein und keinesfalls Black Metal.

Die Kunst und der Exzess, sie suchen sich. Ein surrealistisches Zwischenspiel: „Die einfachste surrealistische Tat besteht darin, mit Revolvern in den Fäusten auf die Straße zu gehen und blindlings, solange man kann, in die Menge zu schießen.“ Schrieb André Breton im Zweiten Manifest des Surrealismus. Und der Country-Existenzialist Johnny Cash singt in seinem „Folsom Prison Blues“: „When I was just a baby my mama told me ‚Son,/ Always be a good boy, don’t ever play with guns.‘/ But I shot a man in Reno, just to watch him die …“

So böse. Aber ja nur ein Lied.Manchmal aber kommt zum Lied die Tat. Was Pär Thörn und Ragnar Persson in ihrem Buch zusammengetragen haben, folgt ziemlich präzise den Spuren der Wirklichkeit. Nur dass die beiden Schweden die Geschichte in ihrem eigenen Land angesiedelt haben. Passiert ist es aber nebenan, in Norwegen, Anfang der neunziger Jahre, als plötzlich niedergebrannte Kirchen Schlagzeilen machten. Angesteckt wurden sie von Musikern der norwegischen Black-Metal-Szene, die mit altnordischen Mythen liebäugelten und einem völkischen Okkultismus.

Teuflische Angelegenheit das, bis hin zum Tod. Im Jahr 1993 ermordete Varg Vikernes von der Black-Metal-Band Burzum seinen Musikerkollegen Øystein Aarseth, den Gitarristen von Mayhem. „Vielleicht“, mutmaßt ein Musiker, der selbst von Anfang Teil der norwegischen Black-Metal-Szene war, „wollte Vikernes beweisen, dass er der böseste und radikalste von allen war.“ An Publizität gewann der norwegische Black Metal mit diesen Umtrieben jedenfalls ungemein. Heute gilt er als ein wichtiger Kulturexport des Landes.

Was fasziniert uns daran?

Wobei auch der norwegische Black Metal einem Grundantrieb des Rock folgt, der einem Geist verpflichtet ist, der lieber erst mal verneint. Der das Des­truktive schätzt. Der die etablierten Wertesysteme grundsätzlich infrage stellt und nihilistisch ist, ohne dafür erst Nietzsche gelesen haben zu müssen.

Und das ins Extrem getrieben. In seiner letztlich doch kurzen Phase des Kirchenniederbrennens ist beim norwegischen Black Metal in der unbedingten Radikalität und dem Exzess wenigstens in kleinen Teilen der Szene diese surrealistische Lust zu spüren, nicht allein vom Sturz der vertrauten Ordnungen zu singen. Sondern Ernst damit machen und eine radikale Kunst mit einem radikalen Leben zu vermengen. Heile Welt kommt da eigentlich nie bei raus.

Mit einem Schaudern schaut man sich das gern mal an. Eine Faszination, die auch bei „Reality is Transcribed“, dem Buch von Pär Thörn und Ragnar Persson, zu spüren ist – bei der geradezu liebevollen Detailverliebtheit, mit der da solcher Des­truktivität und dem Schrecken nachgespürt wird. Man darf sich also bei der Veranstaltung am Samstag im Ausland durchaus auch mal fragen: Was genau ist es eigentlich, das daran fasziniert?

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