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Brüssel ignorierte Dieselgate

Abgas I Bereits 2013 warnte der damalige EU-Umweltkommissar vor Manipulation bei Autotests, ohne die Emissionen „dramatisch“ ansteigen würden. Passiert ist: nichts

von Eric Bonse

BRÜSSEL taz | Was wusste die EU-Kommission von den Manipulationen bei VW? Diese Fragen wirft ein Briefwechsel zwischen zwei EU-Kommissaren aus dem Jahr 2013 auf. Bereits damals habe der damalige Umweltkommissar Janez Potocnik vor Tricks der Konzerne bei Abgaskontrollen gewarnt, berichtete die Financial Times am Montag.

In einem Brief an den damaligen Industriekommissar Antonio Tajani habe Potocnik von „weit verbreiteten Sorgen“ berichtet, dass Autobauer die Leistung von Motoren gezielt auf den Testzyklus der Autos zuschnitten. Ohne diese Manipulation würde der Abgasausstoß „dramatisch“ ansteigen, warnte der Ex-Kommissar.

Normalerweise hätte die Kommission den Vorwürfen nachgehen und die Regeln zur Abgasmessung verschärfen müssen. Doch die EU-Behörde tat nichts, im Gegenteil: Sie verlängerte das laxe Kontroll-Regime sogar bis zum Jahr 2017. Der Abgas-Skandal wurde deshalb auch nicht in Europa, sondern in den USA aufgedeckt. Bei einer Plenardebatte am heutigen Dienstag im Europaparlament in Straßburg könnte es deshalb hoch hergehen. Denn die Abgeordneten fordern seit Langem, dass die Kommission die Betrugsvorwürfe gegen VW aufgreift – und schärfere Abgastests einführt.

Mitte September hatte VW zugegeben, millionenfach Dieselautos mit einer Software ausgestattet zu haben, die den Schadstoffausstoß auf Prüfständen manipuliert. Dass manipuliert werde, sei ein „offenes Geheimnis“ gewesen, kritisieren die Grünen. Tatsächlich hatte ein EU-Forscherteam schon 2011 auf erhebliche Diskrepanzen zwischen im Labor und real auf der Straße gemessenen Emissionen hingewiesen. Schon 2013 protestierte die damalige dänische Umweltministerin Ida Auken gegen die Verlängerung der laschen EU-Regeln.

Nun ist der Schaden groß –nicht nur bei Volkswagen. Mehrere EU-Staaten fürchten, dass die Manipulationen auch die EU-Klimaziele gefährden könnten. Der Fall könne „einen direkten Einfluss auf die Gesamt­emissionen eines Landes“ sowie „auf die Anstrengungen aller Mitgliedstaaten“ haben, heißt es in einem Schreiben Österreichs und Dänemarks für den EU-Umweltministerrat, der am Montag in Luxemburg tagte. Mehrere Länder, darunter Frankreich, schlossen sich an.

Doch die Umweltminister wollten zum Thema keine Beschlüsse fassen. Die Bundesregierung hält die Aufregung ohnehin für übertrieben. Dieselfahrzeuge hätten zwar ein Problem mit dem Stickstoff-Ausstoß, beim CO2 hingegen seien sie eher unbedenklich. Auch bei den geplanten neuen Abgas-Messverfahren steht Berlin auf der Bremse.

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