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Frankreich in 60 Bildern

KUNST & GESCHICHTE Das Bucerius Kunst Forum in Hamburg will mal eben 300 Jahre auf 630 Quadratmetern einfangen. Klar: So ein Anspruch muss scheitern –aber die Ausstellung „Die Farben Frankreichs“ ist trotzdem gelungen

Von Hajo Schiff

Der Louvre kann aufgelöst werden, die Königsschlösser können ihre Tore schließen: Wer „Die Farben Frankreichs“ sehen will, muss nach Hamburg kommen. Mit 60 Gemälden und 12 Zeichnungen von 44 Künstlern gibt das Bucerius Kunstforum am dortigen Rathausmarkt einen Überblick über 300 Jahre französische Kunstgeschichte „von Poussin bis Monet“. Dies einzulösen, ist auf den zur Verfügung stehenden 630 Quadratmetern schon ein bisschen größenwahnsinnig –und unüblich für ein Haus, das sonst gerne weniger beachtete Aspekte im Werk bekannter Künstler ausleuchtet oder spannende Fragen und Dialoge zu inszenieren weiß.

Nun aber geht es noch nicht einmal um eine spezielle Epoche, in der eine Nation besondere Bausteine zur Kunstgeschichte geliefert hat, wie beispielsweise das Goldene Jahrhundert in Dänemark, die Romantik in Deutschland oder die Genremalerei in den Niederlanden. Nein, mit Frankreich hat man sich ein Land mit einer sehr eigenen Kunstgeschichte vorgenommen, die teilweise den üblichen an Italien gebildeten Epocheneinteilungen widerspricht; vor allem aber ein Land, das von der Gründung der Pariser königlichen Akademie für Malerei und Bildhauerei im Jahre 1648 bis zum Impressionismus in vielen Strömungen absolutes Vorbild war – nicht nur ästhetisch, sondern auch politisch.

So könnte jede der neun thematischen Stationen Stoff sein für eine eigene große Ausstellung. Und trotz der dichten mitgelieferten Informationen ist es doch hilfreich, ein System der Kunst und der Geschichte von Ludwig XIV. bis Napoleon, von der Revolution bis zum deutsch-französischen Krieg im eigenen Kopf mitzubringen.

Jede der neun thematischen Stationen könnte Stoff sein für eine eigene große Ausstellung

Bemerkenswert an dem Ausstellungs-Unterfangen ist dann aber die Qualität der Bilder. Und ihre Herkunft: Fast alle gehören zur französischen Abteilung der 1854 gegründeten National Gallery of Ireland in Dublin, die gut 200 Objekte umfasst und bis heute durch Stiftungen immer noch weiter wächst. Ergänzt werden die Dubliner Stücke um solche aus der „Sammlung Rau für Unicef“ im Arp Museum Bahnhof Rolandseck im nordrhein-westfälischen Remagen.

Die Bilder finden in Hamburg also ein Publikum, das sie im Normalfall noch nie gesehen hat. Das wiederum ist ein sicheres Konzept: In ihren Stamm-Museen nicht mehr hinreichend geliebte Dauerausstellungen werden andernorts zur erfolgreichen Sonderschau; das ließe sich zu einem Ringtausch durch ganz Europa weiterdenken. Das Bucerius Kunst Forum als Ausstellungsort zwar ohne Sammlung, aber mit Geld, kann sich immer dann an solchem Ausstellungskarussell beteiligen, wenn Bilder etwa aufgrund von Umbaumaßnahmen zeitweilig eine neue Wand brauchen.

Die daraus gemachte Ausstellung nun beginnt mit den von der Akademie zur gelehrten Bildung nach Rom geschickten Stipendiaten und ihren nach genauen Regeln –Ordnung, Klarheit, Vernunft –erstellten Historienbildern und repräsentativen mythischen Szenen: die bekanntesten sind der gemessen theatralische Nicolas Poussin (1594–1665) und der idyllische, besonders an der Licht-Atmosphäre interessierte Claude Lorrain (1604–1682). Mitte des 18. Jahrhunderts findet die adelige Sorglosigkeit mit der Gattung der „Fetes Galantes“ ihren verklärten Ausdruck, während für die erstarkende bürgerliche Kundschaft eher sachliche und sentimental-moralische Bilder gemalt werden.

Die grundlegenden Umwälzungen spiegeln sich in heroischen Landschaftsansichten und Szenen eines neuen, mythisch verklärten Heldentums. Jacques-Louis David (1748–1825) ist mit einem frühen Bild zur Ilias vertreten – später wurde er zum Maler der Revolution. Deutlich spricht Hubert Roberts „Apotheose des Jean-Jaques Rousseau“ (1794) vom Kult der Revolution um die Größen der Aufklärung.

Mit einem gewaltigen Sprung geht es dann im zweiten Stock weiter mit Realismus und Freilichtmalerei und endet beim Impressionismus, bei dem Farbe und Licht identisch werden.So ein dreidimensionales Coffeetable-Book französischer Malerei lädt zu bildungsbürgerlicher Kulinarik geradezu ein. Und zu einer gänzlich subjektiven Bewunderung von Lieblingsbildern ohne allzu genauen historischen Kontext: Die grandiose „Heilige Familie“ (1649) von Poussin, erhaben mit leuchtend blauen, roten, orangenen und weißen Gewändern vor einer herb-sachlichen Architekturkulisse positioniert. Oder es gefallen ganz anders die in den erotischen Anspielungen fast schon derbe, in den zarten Farben höchst sanfte „Flötenlektion“ des Rokoko-Malers Francois Boucher (1751) und ähnliche, die Vergnügungen des Ancien Regime feiernde Bilder galanter Feste im Grünen.

Aber auch das genaue Gegenteil kann erfreuen: Der von den Enzyklopädisten beeinflusste, trockene und ganz bürgerliche Blick auf das Einfache, Alltägliche bei Jean-Simeon Chardin. Oder für das 19. Jahrhundert: Da begeistert die reine Malerei mit beispielsweise den in Grautönen schwelgenden Ausblicken über die Dächer von Paris bei Gustave Caillebotte und Vincent van Gogh – der ist kein Franzose, aber sein Bild gehört zur französischen Malkultur. Betrachtet man dann Paul Cezanne, könnte eine der französischen Traditionen schon darin bestehen, wie seine Malweise von Häusern und Felsen zugleich auf den Kubismus vorausdeutet – und auf Poussin zurück.

„Von Poussin bis Monet“: bis 17. Januar 2016, Hamburg, Bucerius Kunst Forum

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