: Nach der Mauer kam der Zaun
Starschnitt III Es ist noch nicht lange her, da rissen wir Grenzzäune und Mauern voller Euphorie nieder und feierten die Einheit, die daraus erwuchs. Heute ist der Zaun, der trennt und draußen hält, wieder schwer im Kommen. Wir würdigen seine neue Popularität in fünf Teilen – und mit einem Aufruf zur prophylaktischen Bastelarbeit
von Helmut Höge
Berühmt wurden die Kämpfe gegen Einzäunungen in England, als dort das Gemeindeland (die Allmende) privatisiert wurde. „Diggers“ und „Levellers“ nannten sich die Widerständler, die die Zäune und Hecken „ausgruben“ und „einebneten“, daher ihre Namen.
Nach dem Ende des DDR-„Volkseigentums“ brachen auch in und um Berlin „Zaunkriege“ aus. Der Staat hatte ganze Seen privatisiert und die neuen Besitzer sie eingezäunt, sodass die in der Nähe Wohnenden nicht mehr im See baden und angeln oder am See spazieren gehen konnten. Damit wurde ein Gewohnheitsrecht gebrochen. Nachts wurden Zäune entfernt oder Löcher in die Zäune gemacht. Am Liebenberger See hielten die neuen Besitzer des „Seeschlosses“, die Deutsche Kreditbank (DKB), die Zudringlinge statt mit einem Zaun durch „Security-Kräfte“ von der Seenutzung ab.
In und um Potsdam, wo um den Zugang zu den privatisierten oder teilprivatisierten beziehungsweise verpachteten Seen am heftigsten gestritten wird, führte ein „Zaunkrieg“ zur Gründung einer Bürgerinitiative gegen die Seeeinzäunung: „Mit Schildern, Lautsprechern und Trommeln in den Händen machten sich die Bewohner aus der Nähe des Groß Glienicker Sees auf den Weg von der Seepromenade zum Fußweg am Ufer“, um laut taz „für einen freien Zugang zu kämpfen. Anwohner mit Seegrundstück hatten den Weg mit Hecken und Zäunen gesperrt; Überwachungskameras und Securityleute mit Schäferhunden sollten dafür sorgen, dass niemand ihre Grundstücke durchquert. ‚Wir sind hier, und wir sind laut, weil ihr uns das Ufer klaut!‘, heißt es auf den Plakaten der knapp 200 Demonstranten.“ Nachdem sie dreimal so protestiert hatten, ließ die Stadt mit Baggern Hecken und Zäune auf zwei Grundstücken entfernen. Das Grünflächenamt der Stadt habe „rechtswidrige Sperren“ am Westufer entfernt, teilte man der Presse mit.
Aber der Kampf in der Region ging weiter. Der NDR meldete: „Am Griebnitzsee in Potsdam fliegen die Fetzen.“
Fortsetzung folgt morgen
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