S-Bahn spielt falsch

TRUG-BLATT

„Gemeinsam angenehm reisen!“, steht fett und rot auf dem Flugblatt, das die Frau am Hamburger Hauptbahnhof S-Bahn-Passagieren in die Hand drückt. „Keine Chance für organisierte Bettelei!“ Von Mittwoch bis Freitag waren sie an mehreren Stationen: Hamburgs S-Bahn empfahl ihrer Kundschaft, bettelnden Musizierenden kein Geld zu geben. Dahinter stecke in vielen Fällen organisierte Bettelei. Das bestätigt Bahn-Sprecher Egbert Meyer-Lovis: „Aufgrund der Erfahrungen und Zusammenarbeit mit den ermittelnden Behörden hat sich gezeigt, dass hinter den ‚Musikern‘ oft eine Organisation steht.“

Das kann die Bundespolizei nicht bestätigen, die beispielsweise dann gerufen wird, wenn Musiker trotz Aufforderung durch Bahnmitarbeiter das Musizieren nicht einstellen und ihre Personalien nicht angeben wollen. „Wir haben zurzeit keine Hinweise darauf, dass es in Hamburg Organisationen gibt, die Personen gezielt zum Musizieren in S-Bahnen auffordern“, sagt Sprecher Rüdiger Carstens. Weil das Musizieren zunächst nur gegen die Beförderungsbedingungen des Hamburger Verkehrsverbundes verstoße, liege auch keine Straftat vor. Die Hamburger Bundespolizei jedenfalls habe „bislang kein Strafverfahren in diesem Zusammenhang eingeleitet“.

Auch Dirk Hauer vom Diakonischen Werk ist die Existenz von Bettelorganisationen nicht bekannt: „Das scheint mir erst einmal eine reine Behauptung zu sein.“ Er kritisiert den Aufruf als „unsolidarisch und herzlos“.

Die Hausordnung der S-Bahn erlaubt Betteln generell nicht. Musizieren ist nur bei vorheriger Genehmigung gestattet. „Wenn einer im laufenden Betrieb Geige spielen will, bekommt er keine“, sagt Meyer-Lovis. Wie viele Genehmigungen man bei der S-Bahn jährlich ausstelle, kann er nicht beantworten. Caren Miesenberger