Für den legitimen Präsidenten

Kolumne Afrobeat von Dominic Johnson
Die Elfenbeinküste zeigt, wie eine Militärintervention Frieden bringen kann

Dominic Johnson

Foto: privat

ist seit 1990 Afrikaredakteur der taz und leitet seit 2011 das taz-Auslandsressort. In der Kolumne „Afrobeat“ beleuchtet er in der Regel alle sechs Wochen politische und gesellschaftliche Phänomene Afrikas. Zuletzt erschien „Vorreiter Afrika“ zum Thema Flüchtlingspolitik.

Vor fünf Jahren zeigte die Elfenbeinküste, wie freie Wahlen ein Land in den Bürgerkrieg stürzen können. Heute erweist sich am ivorischen Beispiel, wie eine Militärintervention Frieden und Stabilität bringen kann. Beide Erkenntnisse werden in der internationalen Diskussion um den richtigen Umgang mit Krisenherden verdrängt. Dabei ließe sich von Abidjan viel lernen, was auch für Aleppo oder Afghanistan hilfreich sein könnte.

Gbagbo gegen Ouattara

Was ist in der Elfenbeinküste passiert? Im Jahr 2010 fanden zum ersten Mal in der Geschichte des westafrikanischen Landes Wahlen statt, an denen alle wichtigen Kräfte teilnehmen durften. Die Elfenbeinküste war seit 2002 faktisch geteilt gewesen: Der sozialistische Präsident Laurent Gbagbo regierte im Süden, Aufständische kontrollierten den Norden, ein Friedensprozess hatte das Land nur halb zusammengeführt. In der Stichwahl ums Präsidentenamt am 28. November 2010 musste Amtsinhaber Gbagbo gegen den im Norden des Landes verankerten zivilen Oppositionschef Alassane Ouattara bestehen, der die Sympathie der Rebellen genoss.

Die Wahlkommission wurde von Gbagbos Anhängern massiv eingeschüchtert, aber erklärte am 2. Dezember Ouattara zum Sieger mit 54,1 Prozent. Am 3. Dezember erklärte das Verfassungsgericht diese Verkündung für unwirksam und rief Gbagbo zum Sieger aus. Zuvor hatte es die Ergebnisse aus sieben Wahlkreisen im Norden des Landes, sämtlich Ouattara-Hochburgen, wegen angeblicher Unregelmäßigkeiten annulliert – korrekt wäre dann aber gewesen, dort erneut wählen zu lassen, nicht einfach den Rest der Zahlen zum Gesamtergebnis zu erklären.

Die internationale Gemeinschaft erkannte Ouattaras Sieg an, aber Gbagbo blieb an der Macht. Wenn Ouattaras Anhänger auf der Straße demonstrierten, wurden sie niedergemetzelt. Abidjan wurde zur Kampfzone. Gbagbos Armee richtete immer wieder mit Artillerie und durch Milizen Massaker an der Zivilbevölkerung an. Mehrere tausend Menschen sollen gestorben sein.

Im März 2011 marschierten die Rebellen aus dem Norden in Abidjan ein. Und Anfang April landeten französische Truppen, die Gbagbos militärische Infrastruktur bombardierten. Der Expräsident verschanzte sich im Keller seiner Residenz und wurde schließlich am 11. April 2011 von französischen Spezialkräften und Ouattara-treuen Soldaten festgenommen. Ouattara konnte endlich Präsident werden. Gbagbo wartet jetzt beim Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag auf seinen Prozess.

Militärische Entschlossenheit

Ohne die militärische Entschlossenheit Frankreichs unter Nicolas Sarkozy damals wäre der Konflikt in der Elfenbeinküste nicht so schnell gelöst worden. Es wären mehr Menschen gestorben, möglicherweise wäre der Bürgerkrieg bis heute nicht vorbei.

Viele afrikanische Nationalisten kreiden Ouattara bis heute an, von Frankreich ins Präsidentenamt gehievt worden zu sein. Nötig wurde das allerdings nur, weil sonst niemand in Afrika dafür sorgte, dass ein demokratisches Wahlergebnis respektiert und ein zum Massenmörder mutierter Usurpator im Präsidentensessel unschädlich gemacht wird.

Die französische Intervention, gedeckt durch ein UN-Mandat, konnte ihrerseits nur deswegen so schnell erfolgreich sein, weil ihr Ziel völlig klar war. Es ging nicht, wie zeitgleich beim Krieg gegen Muammar al-Gaddafi in Libyen, einfach darum, einen ungeliebten Machthaber zu entfernen und dann zu sehen, was passiert. Der legitime Präsident stand fest, es ging darum, ihm zu seinem Recht zu verhelfen und damit dem ivorischen Volk.

In Libyen gab es keine klare und demokratisch verankerte Alternative zu Gaddafi, sondern eine heterogene Ansammlung von Aufständischen mit jeweils legitimen, aber in der Gesamtheit unvereinbaren Interessen. Deswegen führte Gaddafis Sturz nicht zu Stabilität, sondern zu Chaos.

Das macht aber nicht Gaddafis Sturz problematisch, sondern das Fehlen jeglicher Strategie für die Zeit danach. Manche Kriege in Afrika enden eindeutig und endgültig, manche enden nie und führen in die Dauerkrise. Eine militärische Entscheidung, mit klaren Siegern und Besiegten, führt in der Regel zu einem dauerhafteren Frieden als eine sogenannte friedliche Lösung, die alle Seiten unzufrieden zurücklässt.

Gewaltakteure ausschalten

Angola erlebte bis 2002 einen jahrzehntelangen Bürgerkrieg, einen der schlimmsten in Afrika, aber dann wurde Rebellenchef Jonas Savimbi bei einem gezielten Luftschlag getötet und der Krieg ging vorbei. Seitdem ist Angola das Boomland des Kontinents schlechthin, zwar mit gigantischen sozialen und politischen Problemen – aber eben ohne Gewalt als Mittel ihrer Austragung.

Leider gibt es politische Akteure, die eine Klärung der Machtfrage nur mit Gewalt akzeptieren

Ruanda war 1994 Schauplatz eines Völkermordes, der eine Million Tote forderte, aber dann wurden die Völkermordtäter in den Kongo gedrängt und jeder Einmarschversuch unbarmherzig zurückgeschlagen. Seitdem modernisiert sich Ruanda in atemberaubendem Tempo, was zwar autoritär vonstatten geht und gesellschaftliche Spannungen verursacht – aber es sind eben neue Spannungen, nicht die mörderischen alten.

Auch die Elfenbeinküste ist seit 2011 friedlich geblieben und ist wieder eine Wachstumslokomotive Westafrikas. Zwar sind längst nicht alle Probleme gelöst, Verbrechen Ouattara-treuer Kräfte 2011 werden kaum aufgearbeitet und die Gbagbo-Fans boykottieren die Wahlen 2015 – aber das Land bleibt ruhig und die Herausforderungen sind die des Fortschritts.

Natürlich reicht es nicht, die Machtfrage zu klären, damit alles besser wird. Aber die Klärung der Machtfrage ist die Voraussetzung für alles andere.

Und es gibt leider immer wieder politische Akteure, die nur eine Klärung mit Gewalt akzeptieren. Manche sind bereits an der Macht, aber bekämpfen rabiat das eigene Volk und jeden vermeintlichen Herausforderer; andere streben erst nach oben, kennen aber kein anderes Mittel als das Gewehr. Solange man sie gewähren lässt, im Namen von Prinzipien wie „Man muss mit allen reden“, ist das Ergebnis kein Frieden, sondern Krieg.