: Gradeur of the Interiors
MODERNE Das Centrum Judaicum widmet sich dem zu Unrecht vergessenen Film- und Innenarchitekten Chaim Heinz Fenchel
von Klaus Hillenbrand
Der Film- und Innenarchitekt Chaim Heinz Fenchel wird in keinem deutschen Filmlexikon erwähnt. Man findet seinen Namen auch nicht in den vielen Broschüren, die 2015 anlässlich des 50. Jahrestags der deutsch-israelischen Beziehungen erschienen. Es gibt keine Heinz-Fenchel-Straße, weder in Berlin noch in Tel Aviv.
Tatsächlich hätte der 1906 in Berlin geborene und 1988 in Tel Aviv verstorbene Künstler längst eine Würdigung verdient. Seit dem Donnerstag vergangener Woche ist Fenchel „nach Berlin zurückgekehrt“, wie Chana Schütz vom Centrum Judaicum/Stiftung Neue Synagoge Berlin stolz verkündete.
Fenchel ist eine Ausstellung in den Räumen der ehemaligen Großen Synagoge in der Oranienburger Straße gewidmet, die noch bis zum 10. April 2016 zu sehen ist.
Dabei ist Fenchel, gebürtig aus einem assimilierten jüdischen Elternhaus, nach seiner erzwungenen Emigration im Jahre 1936 niemals in seine Heimatstadt zurückgekehrt. Er hatte wohl genug gesehen.
Aus Tel Aviv schrieb er 1937: „Es ist wohl das Schönste und Beste hier im Lande; ein Judenproblem wie in Europa gibt es hier nicht! Sieben Monate lang haben wir nichts dergleichen diskutiert und gehört. Die jüdischen Policemen sind robust und grobschnäuzig wie überall, die jüdischen Arbeiter sind kräftig, ordinär, spucken und trinken (allerdings keinen Alkohol) wie überall auf der Welt, die jüdischen Beamten auf Post und Verwaltung sind meist unhöflich, dick und gefräßig, wie auf unseren Finanzämtern seligen Angedenkens.“
Wer sich für Spielfilmproduktionen aus der Weimarer Republik interessiert, der stößt unweigerlich auf Fenchels Namen – freilich nicht an erster Stelle. Fenchel verantwortete als junger Filmarchitekt zwischen 1928 und 1933 die Bauten von Dutzenden vertonter Spielfilme, darunter etwa die Verfilmung von Edgar Wallaces „Der Zinker“.
In der Ausstellung sind viele seiner filigranen Zeichnungen zu sehen, die er zur Vorbereitung anfertigte. Er galt als „Gradeur of the Interiors“ und arbeitete mit den damals bekanntesten Regisseuren und Schauspielern zusammen. Gustaf Grüngens, Heinrich George oder Adele Sandrock sind durch seine Kulissen getappt.
Doch 1933 erhielt Fenchel im Zuge der „Entjudung der UFA“ Berufsverbot. Zwei Jahre lang arbeitete er noch an internationalen Filmproduktionen etwa in Wien oder Amsterdam mit, bevor er Europa verließ – nicht nach Hollywood (wie damals viele filmschaffende jüdische Deutsche), nicht nach Großbritannien mit seiner Filmindustrie, sondern nach Palästina. Kinoproduktionen gab es dort nicht. Fenchels zitierte Zeilen von 1937 machen deutlich, warum es ihn ausgerechnet nach „Eretz Israel“ ins damalige britische Mandatsgebiet trieb.
Am Strand der Metropole
In Tel Aviv knüpfte Fenchel an eine bisherige Nebentätigkeit an: Inneneinrichtigen. Sein erstes Projekt, das Café Pilz am Strand der jungen Großstadt, geriet ihm so gut, dass die Vereinigung der anderen Caféhausbesitzer Fenchel eine jährlich auszuzahlende Geldsumme angeboten haben sollen, damit er mit seinem Tun aufhöre. Natürlich hielt er sich nicht daran.
Der Aufwand, den Fenchel zur Realisierung seiner Architekturpläne trieb, erscheint uns heute gigantisch. Kein Detail entging seinen Zeichnungen, die in der Ausstellung präsentiert werden. Fenchel gestaltete Restaurants, Modehäuser, Buchläden und eine Papierhandlung und schuf so (zusammen mit vielen anderen emigrierten Juden und Einheimischen) die Grundlage dafür, dass Tel Aviv sich zu einer modernen, westlichen Stadt entwickelte.
Nach dem Zweiten Weltkrieg arbeitete er an der Entwicklung der Dan-Hotelkette, die bis heute im Besitz der ursprünglich aus Chemnitz stammenden Besitz der Familie Federmann ist.
Und auch wenn Chaim Heinz Fenchel Berlin nach 1936 nie mehr besucht hat: Angehörige der Familie Federmann sind zur Ausstellungseröffnung in die deutsche Hauptstadt gereist. Das Geschirr für ihre Hotelkette kaufen sie übrigens, so ist zu hören, wieder aus dem Raum Chemnitz.
Abgedreht. Chaim Heinz Fenchel. Bis zum 10. 4. 2016 im Centrum Judaicum, Oranienburger Straße 30, geöffnet Sonntag–Donnerstag 10–18 Uhr, Freitag 10–15 Uhr.
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