Verfassungsstreit in Kongo-Brazzaville: Sassou gegen „Sassoufit“
Gegner des Staatschefs Denis Sassou-Nguesso machen gegen dessen drohende dritte Amtszeit mobil. Die Polizei unterdrückt die Proteste.
BERLIN taz | Nach Burkina Faso und Burundi wird Kongo-Brazzaville offenbar zum nächsten Brennpunkt der panafrikanischen Proteste gegen ewig am Amt klebende Präsidenten. Gewalt wurde am Dienstag aus Brazzaville, Hauptstadt der Republik Kongo, sowie der Hafenstadt Pointe-Noire gemeldet. Oppositionelle hatten zu Protesten gegen ein von Präsident Denis Sassou-Nguesso für den kommenden Sonntag angesetztes Verfassungsreferendum aufgerufen, das dem Staatschef einen Verbleib im Amt nach den Wahlen 2016 ermöglichen soll.
Sassou-Nguesso, 72 Jahre alt, regiert die ehemalige „Volksrepublik Kongo“ seit 1979 – mit einer kurzen Unterbrechung, als er 1992 die ersten freien Wahlen verlor und sich fünf Jahre später mit Waffengewalt zurück an die Macht kämpfte. Einst marxistischer Autokrat, ist Sassou-Nguesso zum Freund der französischen Ölindustrie geworden und agiert heute als Elder Statesman, der sich Nachbarländern wie der Zentralafrikanischen Republik oder der Demokratischen Republik Kongo als Vermittler empfiehlt.
2002 ließ der Präsident sich erstmals für sieben Jahre wählen, 2009 wurde er wiedergewählt. 2016 darf er nicht wieder kandidieren, da die geltende Verfassung nur zwei gewählte Amtszeiten sowie eine Altersobergrenze von 70 Jahren vorsieht. Deswegen hat Sassou-Nguesso eine neue Verfassung erarbeiten lassen, die das Kabinett am 5. Oktober zur Volksabstimmung am 25. Oktober freigab.
Der neue Text gewährt dem Präsidenten zwei gewählte Amtszeiten von je fünf Jahren und streicht die Altersobergrenze. Die Zählung der Amtszeiten beginnt mit einer neuen Verfassung von vorn.
Internet abgeschaltet
„Sassoufit!“ (Ça suffit – Es reicht) lautet das Motto der Oppositionsbewegung dagegen, die schon mehrfach auf die Straße gegangen ist. Nach Zusammenstößen am Samstag wurden mehrere Aktivisten festgenommen, für Dienstag verhängte der Präsident ein Versammlungsverbot und wies persönlich alle Angestellten an, zur Arbeit zu gehen. SMS- und Internetdienste wurden stillgelegt, die Übertragung des französischen Auslandsrundfunks RFI zu „Wartungsarbeiten“ abgeschaltet. Ein starkes Sicherheitsaufgebot bezog Stellung in den Städten.
Im Morgengrauen am Dienstag errichteten Jugendliche Straßensperren aus brennenden Autoreifen, um die sich Auseinandersetzungen mit der Polizei entzündeten. Auf Brazzavilles zentralem „Boulevard des Armées“ vertrieben Sicherheitskräfte jeden Ansatz einer Zusammenrottung.
Das Protestmotto: „Sassoufit“ – wie “Ça suffit“ (Es reicht)
Die Polizei habe scharf geschossen, sagte am Dienstag nachmittag gegenüber Reuters Tresor Nzila von der „Kongolesischen Beobachterstelle für Menschenrechte“. Einem Bericht zufolge wurden drei Demonstranten getötet, genauere Angaben gab es bis zum Abend nicht.
Leser*innenkommentare
nzuli sana
Danke ebenfalls.
zebralogs
Toller Artikel! Das Thema "Afrikanischer Frühling" findet ja außerhalb taz.de kaum in den deutschen Medien statt.
Wer Interesse an einer Übersicht über zivilgesellschaftliche Proteste und Umstürze auf dem afrikanischen Kontinent hat, findet sie hier: https://zebralogs.wordpress.com/2015/10/12/afrikanischer-fruehling-eine-uebersicht-zivilgesellschaftlicher-proteste-und-umstuerze-auf-dem-afrikanischen-kontinent/