: Gerichtlich bescheinigter Hermaphrodit
Frankreich Ein 64-jähriger, der als Mann gelebt hat, wurde jetzt als intersexuelles Neutrum anerkannt
Nicht einverstanden mit diesem weitreichenden Beschluss, der die bisherige strikte geschlechtliche Zweiteilung infrage stellt, ist die Staatsanwaltschaft, die Berufung eingelegt hat. Der Richter hat in seinem Urteil allerdings präzisiert, damit werde nicht ein „drittes Geschlecht“ definiert oder anerkannt, sondern es sei ganz einfach unmöglich, dieser Person in eines der beiden Geschlechter einzuordnen. Der bisherige Eintrag in der Geburtsurkunde sei eine „pure Fiktion“.
Aufgrund des Augenscheins bei der Geburt wurde nämlich als Geschlecht „männlich“ eingetragen, doch als Mann fühlte sich der heute 64-Jährige nie wirklich, obwohl seine Eltern ihn trotz einer auch sehr stark entwickelten weiblichen Seite als Jungen behandelt und erzogen haben. Nach Aussagen eines langjährigen Bekannten war die weibliche Komponente aber auch nie so ausgeprägt, dass sie geschlechtlich dominant wurde. Sein Freund habe sich wie eine „in einem männlichen Körper gefangene Frau“ gefühlt. Dennoch empfand er offenbar nicht das Bedürfnis, sich wie ein Transsexueller in eine Frau umwandeln zu lassen.
In seinem Fall scheint das Dilemma auch anatomischer Natur zu sein; die Ärzte bescheinigten ihm, dass er bezüglich seines Geschlechts seit der Geburt „Zweideutigkeiten“ aufwies. Denn neben einem winzigen Penis habe er auch so etwas wie eine „rudimentäre Vagina“. Außerdem habe sein Körper weder männliche noch weibliche Hormone produziert. In Wirklichkeit soll es sich also um einen echten Hermaphroditen handeln.
Seine Anwältin hofft, dass die Anerkennung als Neutrum zu einem Umdenken führt. Noch immer würden Kinder im Alter von 0 bis 3 Jahren „traumatisierenden“ medizinischen Interventionen ausgesetzt, nur damit sie in das administrative Entweder-oder der Geschlechtsdefinition passen.
Mehrere außereuropäische Länder wie Australien oder Indien haben bereits erlaubt, den Eintrag des Geschlechts offen zu lassen oder statt männlich/weiblich entweder ein X oder „anderes“ zu schreiben. In Deutschland besteht seit 2013 die Möglichkeit, den Eintrag im Geburtsregister vorerst leer zu lassen. Rudolf Balmer
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen