Razzia in Wolfsburg

Volkswagen Im Zuge der Abgasaffäre durchsuchen Strafverfolger die VW-Konzernzentrale. Das Unternehmen kündigt groß angelegte Rückrufaktion an, will aber damit teilweise bis September nächsten Jahres warten

Arbeiter montieren VW-Autos vom Typ Passat Sedan in Chattanooga im US-Bundesstaat Tennessee Foto: Erik Schelzig/ap

von Richard Rother

Die Staatsanwaltschaft Braunschweig hat am Donnerstag wegen der Abgasaffäre bei Volkswagen Durchsuchungen sowohl von VW-Geschäfts- als auch Privatgebäuden in Wolfsburg und anderen Orten durchgeführt, wie die Behörde mitteilte. Ziel sei die Sicherstellung von Unterlagen und Datenträgern, die Auskunft über die genaue Vorgehensweise der an der Manipulation der Abgaswerte von Dieselfahrzeugen beteiligten Firmenmitarbeiter und deren Identität geben könnten. Mitte September war bekannt geworden, dass VW in den USA Abgaswerte von Dieselfahrzeugen durch eine Software manipuliert hatte, die bei Tests zu einem deutlich niedrigeren Schadstoffausstoß als im Normalbetrieb führte. 11 Millionen Fahrzeuge sind weltweit betroffen, 8 Millionen davon in Europa.

Ob diese Software aber auch in Europa aktiviert war, wie einige Medien berichten – dazu äußerte sich Europas größter Autokonzern am Donnerstag nur vage: „Ob und wie weit diese Software tatsächlich unerlaubt eingreift, ist derzeit noch Gegenstand der internen und externen Prüfungen“, teilte Volkswagen mit.

Angesichts drohender Straf- und Schadenersatzverfahren fährt VW mit juristischen Spitzfindigkeiten fort: Zwar könne die eingebaute Software in Dieselmotoren des Typs EA 189 „theoretisch einen Prüfstand erkennen und Emissionsverhalten dadurch beeinflussen“. Doch es sei rechtlich noch unklar, ob es sich überhaupt um eine „verbotene Abschalteinrichtung im Sinne der europäischen Normen“ handle. Allerdings stellt sich die Frage: Wenn alles legal gewesen sein soll, warum hat sich dann VW zu einer groß angelegten und teuren Rückrufaktion in Deutschland entschlossen? Über entsprechende Pläne hatte die Firma am Mittwoch das Kraftfahrtbundesamt informiert.

Das Amt brauche nun einige Tage Zeit, um die Pläne zu prüfen, sagte Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) am Mittwochabend. Es werde dann „eine unabhängige Entscheidung über die von Volkswagen umzusetzenden Maßnahmen treffen und diese gegenüber Volkswagen anordnen“.

Wenn alles legal war: Warum hat sich VW zu einer Rückruf­aktion entschlossen?

Die Rückrufaktion hat es in sich. Sie betrifft laut Dobrindt Fahrzeuge mit Euro-5-Dieselmotoren des Typs EA 189 in den Varianten mit 2,0 und 1,6 sowie 1,2 Liter Hubraum. Während für den großen und den kleinen Motor eine Software-­Lösung angepeilt werde, sei bei den 1,6-Liter-Motoren „mit großer Sicherheit“ zusätzlich eine motortechnische Anpassung nötig. Wie schwierig und umfangreich dieser Motorumbau werden könnte, lässt sich an einem Datum ablesen: Volkswagen möchte damit laut Dobrindt nicht vor September nächsten Jahres beginnen.

Die NGO Deutsche Umwelthilfe (DUH) kündigte an, das Kraftfahrt-Bundesamt nun juristisch zu einem Rückruf aller bei Volkswagen von der Abgas-Manipulation betroffenen Fahrzeuge zu zwingen. Es müsse amtlich verordnete Rückrufe geben, freiwillige Umrüstarbeiten reichten nicht, hieß es.

Im Zuge des VW-Skandals werden in Deutschland nun auch Diesel-Fahrzeuge anderer Hersteller auf ihren realen Schadstoffaustausch überprüft, „und zwar nicht nur auf der Rolle“, wie Dobrindt sagte. Dabei handle es sich um eine höhere zweistellige Zahl von Fahrzeugtypen. Die Ergebnisse der Überprüfungen würden in einigen Wochen im Rahmen einer „Komplettbewertung“ veröffentlicht.