: Merkels Mann übernimmt
KanzleramtInnenminister de Maizière wird entmachtet, die Flüchtlingspolitik koordiniert künftig Kanzleramtsminister Altmaier. CSU-Chef Seehofer droht mit„Notwehr“
von Anja Maier
Was genau das sein soll, wenn das Kanzleramt die politische Koordination beim Thema Flüchtlinge komplett an sich zieht, blieb vage. Die meisten beteiligten Ministerien – auch das in den zurückliegenden Wochen heftig gescholtene Innenministerium – behalten zwar im Wesentlichen weiter ihre bisherigen Zuständigkeiten. Aber für die Steuerung, also das große Ganze, ist von nun an Merkels Kanzleramtsminister Peter Altmaier zuständig. Für die Koordination der einzelnen Aspekte der Flüchtlingspolitik wird es künftig sogar einen Stab im Kanzleramt geben. Jene, die seit Monaten ein Zuwanderungsministerium fordern, wird diese Nachricht freuen.
Zwar soll das Bundesinnenministerium weiter für die „operative Koordinierung“ fachlicher, organisatorischer, rechtlicher und finanzieller Aspekte der Flüchtlingslage zuständig sein. Doch der dortige Lenkungsausschuss wird von Innenstaatssekretärin Emily Haber geleitet. Und ihr zur Seite steht Altmaiers Staatsminister Helge Braun, im Kanzleramt zuständig für die Bund-Länder-Koordination.
Wenn es also überhaupt ein Mehr für den Innenminister geben sollte, wäre das ein Mehr an Kontrolle über die Arbeit seines Hauses. Tapfer nannte de Maizière die Maßnahme dennoch einen „wichtigen Schritt“, der auf seinen eigenen Vorschlag hin gegangen werde. Auch andere KabinettskollegInnen müssen fortan der Stabsstelle zuarbeiten. Für den Transport ist das Verkehrsministerium verantwortlich. Um die Bekämpfung der Fluchtursachen kümmern sich das Auswärtige Amt und das Entwicklungsministerium. Fürs Geld ist das Finanzministerium zuständig, für Fragen der Gesundheit und die Integration in den Arbeitsmarkt das Arbeitsministerium. Der Bereich Unterbringung und Liegenschaften wird dem Verteidigungsministerium zugewiesen. Für den Wohnungsbau ist das Umweltministerium zuständig.
Mit diesem Maßnahmenpaket erklärt die Kanzlerin das Thema Flüchtlinge vollständig zur Chefinnensache. Mit der Lösung der Aufgaben verknüpft sie ihr politisches Schicksal. Seit Wochen wächst der Druck innerhalb Merkels eigener Partei und aus der CSU. In einem offenen Brief greifen CDU-Funktionäre ihre Parteivorsitzende frontal an. Sie schreiben, ein großer Teil der Mitglieder fühle sich von der Bundesregierung nicht mehr vertreten. Unterzeichnet ist das Schreiben von 34 Kreisvorständen, Bürgermeistern und Landtagsabgeordneten. Parteiprominenz ist nicht darunter, auch kein Bundestagsabgeordneter.
In Bayern drohte am Mittwoch Ministerpräsident Horst Seehofer mit „Notwehr“. Sollte die Bundesregierung keine Schritte für eine Begrenzung der Flüchtlingszahlen unternehmen, müsse der Freistaat überlegen, was er mache, sagte der CSU-Chef während eines Treffens mit den bayerischen Landräten und Oberbürgermeistern in Ingolstadt. „Sonst sagt Berlin, die Bayern reden immer davon, die Belastungsgrenze sei erreicht, aber führen jeden Tag vor, dass sie es trotzdem schaffen.“
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