: "Kreuzzug gegen moderne Lernkultur"
DEUTSCH-TEST Grüne Politikerin von Berg wirft CDU falsche Interpretation von Schulstudie vor
51, ist schulpolitische Sprecherin der Grünen und Vorsitzende des Schulausschusses der Bürgerschaft.
taz: Frau von Berg, die CDU kritisiert die Deutschfähigkeiten der Schüler. 15 Prozent der Drittklässler erfüllen nicht die Mindeststandards im ‚Deutsch-Leseverstehen‘. Weitere 20 Prozent haben nur diesen Mindeststandard erreicht. Nun sagen Sie, das sei nicht so tragisch?
Stefanie von Berg: Ich sage, dass die CDU die Zahlen falsch interpretiert. Es geht ja um die Testreihe KERMIT des Instituts für Bildungsmonitoring und Qualitätsmanagment (IfBQ). Ich habe mir dort ausführlich den Aufbau dieser Testreihe erklären lassen. Es wird am Ende der 3. Klasse abgeprüft, was die Kinder am Ende der Klasse 4, also nach der Grundschule, können sollen. Es ist also wirklich erwartbar, dass das noch nicht alle die Mindeststandards erreicht haben.
Aber in Klasse 8 verfehlen immer noch 16 Prozent den Mindeststandard.
Auch hier ist das erwartbar. Denn es geht um die Lesekompetenz, die am Ende von Jahrgang 9 erreicht sein soll.
Warum testet man so? Dabei ist Misserfolg programmiert.
Es bei KERMIT ganz konkret darum, dass die Lehrer wissen, wo ihre Kinder stehen und rechtzeitig zu erfahren, was noch aufgeholt werden muss. Die Schulen erhalten auch Vergleichswerte von Schulen in gleicher sozialer Lage. Auch erhalten Lehrer Ergebnisse von Parallelklassen. Und es gibt Ergebnisse von jeden einzelnen Kind. KERMIT ist ein Diagnoseinstrument für zielgerichtete Förderung.
Und doch sind diese Zahlen für die Politik von Interesse. Eigentlich müssten wir jetzt erfahren, wie die Ergebnisse am Ende der 4. Klasse sind. Aber da gibt es keinen Test.
Der erübrigt sich, weil es am Anfang der 5. Klasse KERMIT 5 gibt. Insgesamt gibt es mit KERMIT 2,3,5,7,8 und 9 sechs Testreihen, die so terminiert sind, dass sie den Schulen helfen, ihre Arbeit zu verbessern.
Aber warum erfahren wir nicht, wie der Stand Ende Klasse 4 ist?
Dafür gibt es alle drei Jahre die Ländervergleiche des Instituts zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB) in Berlin.
Angenommen, Ende Klasse 4 würden 15 Prozent die Mindeststandards verfehlen...
Das wäre eine Katastrophe.
Können alle Kinder die Mindeststandards erreichen? Ist das politisches Ziel?
Das wäre natürlich toll.
Warum schlägt dieses Thema solche Wellen?
CDU und FDP führen einen ideologischen Kreuzzug gegen moderne Lernkulturen und machen die Methode ‚Lesen durch Schreiben‘ für vermeintlich schlechte Ergebnisse verantwortlich. Dabei ist dies eine reine Leselernmethode. Es gibt keine Grundschule, in der nicht schon ab der zweiten Klasse auf die richtige Schreibweise geachtet wird. INTERVIEW: KAJ
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen