: Kann denn Liebe Sünde sein?
Katholische Kirche Skandal im Vatikan: Der bislang ranghöchste Geistliche, ein polnischer Priester, bekennt sich zu seiner Homosexualität, wirft der Kirche „paranoide Homophobie“ vor – und wird gefeuert
Aus Rom Michael Braun
Wenn Pater Krysztof Charamsa dafür sorgen wollte, dass der Familiensynode der katholischen Kirche, die am heutigen Montag im Vatikan beginnt, weltweit mehr Aufmerksamkeit geschenkt wird, dann ist ihm dies gelungen: Der polnische Monsignore, der in der fürs Dogmatische zuständigen Glaubenskongregation tätig ist – oder besser: war – wählte just diesen Moment für sein schwules Coming-out. Charamsa rechnete, zunächst in einem Interview mit dem Corriere della Sera am Samstag,dann vor der Presse in einem römischen Restaurant, in harten Tönen mit seinem bisherigen Arbeitgeber ab. „Ich muss die homosexuellen, lesbischen bi-, trans- und intersexuellen Brüder und Schwestern um Verzeihung bitten“, hob der 43-Jährige an. „Ich bitte euch um Verzeihung für die epochale Verspätung, für euer Leiden, für die euch widerfahrende Ausschließung. Ich bitte euch um Verzeihung dafür, dass wir euch zu den Aussätzigen unserer Zeit gemacht haben.“
Weiter sagte er, er sei in der Glaubenskongregation zum Zeugen einer „auf den Gipfel getriebenen, paranoiden Homophobie“ geworden. Sein Coming-out widmete er „jener Person, die ich liebe“, dem Katalanen Eduardo Planas.
Er hoffe, „dass die am Montag beginnende Synode sich mit der Frage der schwulen Gläubigen und ihrer Familien auseinandersetzt“, fügte der polnische Geistliche dann noch hinzu.
Sein Arbeitgeber reagierte schnell – und setzte ihn umgehend vor die Tür. Vatikansprecher Pater Federico Lombardi erklärte: „Gewiss kann Monsignor Charamsa seine bisherigen Aufgaben bei der Glaubenskongregation und bei den päpstlichen Universitäten nicht mehr wahrnehmen.“ Ob er dann noch Priester bleiben könne? Darum werde sich seine Heimatdiözese in Polen kümmern.
Charamsa selbst macht sich wohl keine Illusionen. Er ließ wissen, dass er zusammen mit seinem Partner nach Barcelona reisen und sich dort „eine Arbeit suchen“ werde.
Derweil predigte Papst Franziskus am Samstagabend in Sankt Peter, wie er sich die Kirche mit Blick auf die Synode vorstellt: als „offenes Haus“, das sich aufnahmebereit und „voller Respekt für die Situation eines jeden“ zeige. Dringend müsse jedenfalls vermieden werden, „dass wir am Ende in unnützer Weise streng und zutiefst ungerecht sind“.
Franziskus selbst hatte in den letzten Tagen in der ihm eigenen Art widersprüchliche Signale geliefert. Auf seiner USA-Reise hatte er zunächst jene Standesbeamtin empfangen, die gemaßregelt worden war, weil sie sich geweigert hatte, schwule und lesbische Paare standesamtlich zu trauen. Kaum war er wieder im Vatikan zurück, wurde jedoch eine zweite Begegnung in Amerika öffentlich: Der Papst hatte einem alten Freund und früheren Schüler eine private Begegnung gewährt, bei der auch dessen schwuler Partner und die Familie dabei waren.
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