Neue Hoffnung für den Donbass

Ukraine Vorläufige Ruhe an der Front. Die Konfliktparteien einigen sich in Minsk über schrittweisen Abzug schwerer Waffen. Am Freitag findet in Paris der Ukraine-Gipfel statt

Panzerübung der prorussischen Rebellen bei Thorez, 75 Kilometer vor Donezk Foto: Alexander Ermochenko/epa/dpa

Aus Donezk Bernhard Clasen

So ruhig wie im September war es in der Donbass-Metropole Donezk schon seit über einem Jahr nicht mehr. Und diese Ruhe liegt nicht nur an dem Ausgehverbot zwischen 23 und 5 Uhr morgens. Noch nie wurde in diesem Jahr in Donezk so wenig geschossen wie im September.

Am vergangenen Dienstag konnte nun die trilaterale Kontaktgruppe zur Ukraine bei ihren Verhandlungen in Minsk einen weiteren Etappenerfolg für einen nachhaltigen Waffenstillstand erzielen. Die Vertreter der OSZE, Russlands und der Ukraine haben sich demnach auf ein gemeinsames Papier verständigt, das eine schrittweise Entflechtung schwerer Waffen innerhalb von 39 Tagen vorsieht. In der Vereinbarung verpflichten sich die Konfliktparteien, Artilleriegeschütze von einem Durchmesser bis zu 100 Millimetern und Granatwerfer mit einem Kaliber von bis zu 120 Millimetern 15 Kilometer von der „line of contact“ (Frontlinie) zurückzuziehen. Diese Entflechtung soll sich nach einer Erklärung des OSZE-Sonderbotschafters Martin Sajdik in zwei Etappen vollziehen.

„Zwei Tage nach einer vollständigen Einstellung des Feuers“ beginne der Rückzug der Artillerie in einer größeren Zone von Lugansk. Für diese Phase werde man 15 Tage benötigen, so Sajdik. Die Entflechtung werde jeweils nach Waffengattungen schrittweise vollzogen. Als Erstes müssten die Panzer zurückgezogen werden, anschließend die Artillerie und schließlich die Mörser. In einer zweiten 24-tägigen Phase werde die Entflechtung in einem weiteren Gebiet der sogenannten Sicherheitszone fortgesetzt werden. Die Einhaltung des Abkommens werde von der OSZE beobachtet.

Dem Minsker Verhandlungserfolg waren zähe und monatelange Verhandlungen vorausgegangen. Mit der Unterzeichnung des jüngsten Dokumentes hätte man endlich Leben in die Initia­tive von Präsident Petro Poroschenko gebracht, die dieser in die Minsker Verhandlungen eingebracht hatte. Nun erwarte man aber von den Anführern der Kämpfenden, Alexander Sachartschenko und Igor Plotnizki, eine zeitnahe Unterzeichnung dieses Dokumentes, erklärte Darija Oliver, die Sprecherin des ukrainischen Unterhändlers Expräsident Leonid Kutschma, auf ihrer Facebook-Seite.

Das jüngste Ab­kommen von Minsk lässt jedoch Raum für Interpretationen

Mit der Unterzeichnung der jüngsten Vereinbarung von Minsk über eine schrittweise Entflechtung der schweren Waffen haben die Konfliktparteien gute Voraussetzungen für den Ukraine-Gipfel am Freitag in Paris geschaffen. Dann wollen sich nämlich die Außenminister des sogenannten Normandie-Formates, die Außenminister von Frankreich, Deutschland, der Ukraine und Russland zu weiteren Verhandlungen über die Beilegung des Konfliktes in der Ukraine treffen.

Das jüngste Abkommen von Minsk lässt in einigen Punkten jedoch Raum für Interpreta­tio­nen. Hier könnten sich neue Sollbruchstellen auftun. So wird in dem Dokument nicht geklärt, wer feststelle, dass seit zwei Tagen eine vollständige Feuerpause herrsche. Auch die Größe der „Sicherheitszone“ ist nicht eindeutig definiert. So dementierte der Sprecher der „Volksrepublik Lugansk“, Wladislaw Dej­nego, dass man sich auf eine große Sicherheitszone im Gebiet Lugansk verständigt habe. Tatsächlich gehe es nur um einen „Teil der Waffenstillstandslinie“.