: Grüne streiten um den sicheren Balkan
Parteien Der Vorstoß von Boris Palmer, weitere Balkanstaaten zu sicheren Herkunftsländern zu erklären, stößt in der Partei auf Kritik. Flüchtlingspolitikerin lehnt die Kürzung von Taschengeld zugunsten von Sachleistungen für Asylbewerber ab
Luise Amtsberg, flüchtlingspolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion der Grünen
Der grüne Tübinger Oberbürgermeister hatte im taz-Interview seine Partei aufgefordert, im Bundesrat für die Einführung weiterer sogenannter sicherer Herkunftsstaaten zu stimmen. Deutschland könne es sich „nicht leisten, vierzig Prozent der Asylplätze mit Menschen vom Balkan zu belegen, wenn Hunderttausende Kriegsflüchtlinge kommen“. Schon sehr bald werde sich die Schmerzgrenze der gesamten Gesellschaft zeigen. Seine Partei müsse nun bereit sein, Einschränkungen von Flüchtlingsrechten hinzunehmen.
Starker Tobak von einem, dessen Partei sich stets für die Rechte von Flüchtlingen eingesetzt hat und deren bundespolitische Vertreter mit diesbezüglicher Kritik an der Unions-Politik zuletzt nie gespart hatten.
Nun könnte man sagen, Boris Palmer sei ja nur ein grüner Bürgermeister aus Baden-Württemberg. Doch das ginge an der Realität vorbei. Palmer, der Tübinger Realo, gilt als enger Vertrauter von Ministerpräsident Winfried Kretschmann. Und der wiederum war es, der im Herbst vergangenen Jahres im Bundesrat mit Union und SPD für mehr sogenannte sichere Herkunftsländer votiert hatte. Es darf also eine inhaltliche Abstimmung mit Kretschmann angenommen werden.
Im Oktober will die Große Koalition ihr neues, verschärftes Asylgesetz durch Bundestag und Bundesrat bringen. Folgt man Palmer, sollten die Grünen im Bundesrat nicht nur die sicheren Herkunftsländer durchwinken, sondern auch die Umwandlung von Geld- in Sachleistungen.
Christian Ströbele kommentiert Palmers Äußerungen dahingehend, dieser wolle wohl „das Feld für seinen Ministerpräsidenten bereiten“. Der Bundestagsabgeordnete beruft sich auf die Beschlusslage des letzten Grünen-Parteitages. Diese sehe keine weiteren sicheren Drittstaaten vor. Bei der Rückkehr zu Sachleistungen gehe es doch nur darum, Flüchtlingen das Leben schwerzumachen. „Abschreckung war noch nie richtig.“
Seine Fraktionskollegin Luise Amtsberg findet Palmers Thematisieren von Sachleistungen und Residenzpflicht „unanständig, weil das längst verhandelt wurde. Das sind flüchtlingspolitische Errungenschaften, die wir nicht zur Disposition stellen sollten“, sagt die flüchtlingspolitische Sprecherin der Grünen.
Das von ihm angesprochene Thema „sichere Herkunftsstaaten“ hält Luise Amtsberg denn auch für eine „Symboldebatte“. Die Zahlen der Flüchtlinge aus dem Kosovo und Montenegro seien mittlerweile massiv zurückgegangen. „Die Aufklärungskampagne der Bundesregierung vor Ort hat offenbar Wirkung gezeigt, da sollte Deutschland mehr Energie reinstecken.“ Anja Maier
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