: Raffiniertes Schneeballsystem
JUSTIZ Vor dem Frankfurter Landgericht müssen sich die Gründer der S&K-Immobilien wegen schweren und bandenmäßigen Betrugs sowie Untreue verantworten
Aus Frankfurt Alina Leimbach
Partys mit Zebras, Elefanten und leicht bekleideten Damen, die fürs Foto vor der Lamborghini-Sammlung posieren. Was nach Stoff für einen Hollywood-Film klingt, war zumindest für Stephan Schäfer und Jonas Köller kurzzeitig Realität. Bis aufflog, dass das alles auf Kosten von etwa 11.000 Anlegern ihrer Firma S&K finanziert war. Im Landgericht Frankfurt startete am Donnerstag einer der größten Wirtschaftsprozesse der bundesdeutschen Geschichte gegen die beiden und vier weitere Angeklagte. Aber nur beinahe. Denn die Verteidigung setzte auf Konfrontation: Der Prozess musste vertagt werden, noch bevor es wirklich losging.
Kurz nach halb zehn morgens öffnet sich die schwere Tür des Gerichtssaals. Der Angeklagte Schäfer betritt den Saal zwar in Hand- und Fußfessel, aber immerhin im maßgeschneiderten Anzug und spiegelglatt gegeltem Haar. Kaugummikauend, mit selbstgefälligem Grinsen setzt er sich. Fast so, als ob das Gerichtsparkett sein Podium sei und nicht der Ort, der ihm sehr lange Haft einbringen kann.
Etwas schüchterner als Schäfer gibt sich sein ehemaliger Kollege Jonas Köller. Sein Gesicht ist maskenhaft, angespannt. Die zwei ehemaligen Geschäftsführer von S&K sowie vier weitere Angeklagte werden von der Wirtschaftskammer des Landgerichts wegen bandenmäßigen Betrugs und schwerer Untreue belangt. Ihnen drohen bis zu 15 Jahre Haft.
Jahrelang hatten die beiden Firmengründer Köller und Schäfer ihren Anlegern traumhafte Renditen mit Immobiliengeschäften und Fondsbeteiligungen versprochen. Die Prospekte waren mit TÜV-Siegel scheinbar seriös, auch namhafte Banken wie die Sparda-Bank boten über Berater die Produkte von S&K an.
Doch dabei soll es sich in Wahrheit um ein ausgeklügeltes Schneeballsystem gehandelt haben. Das Geld der Anleger floss wohl nur zu einem winzigen Teil in Immobilien und ansonsten in die Taschen der Angeklagten. Insgesamt 240 Millionen Euro von Anlegern sollen Schäfer, Köller und ihre Firma S&K veruntreut haben. Mindestens, denn die genaue Schadenshöhe lässt sich bislang noch nicht abschließend klären, so die Staatsanwaltschaft.
Vielleicht absichtlich wird der Prozess in einem Saal im Erdgeschoss verhandelt. Bei einer vergangenen Zivilanhörung hatte der Beschuldigte Schäfer versucht, mit einem Sprung aus dem Fenster zu fliehen – trotz Handschellen. Der Sprung aus sechs Meter Höhe brachte ihm schwere Verletzungen ein. Ganze fünf Anwälte hat er jetzt zum Prozess mitgebracht. Zwei mehr, als ihm vom Gericht bezahlt werden. Die restlichen muss der Mann, dessen Haus von der Polizei leer geräumt wurde und dessen Konten gesperrt sein dürften, aus eigener Tasche zahlen. Einer seiner Verteidiger: Ulrich Endres, bekannt als der ehemalige Anwalt des verurteilten Kindermörders Markus Gäfgen.
Lautstark setzt Endres zu Beginn des Tags seine erste Duftmarke. Als die zahlreichen Fotojournalisten die Abnahme von Schäfers Fußfessel ablichteten, brüllt er: „Das ist doch kein Tanzbär, sondern ein Mensch.“ Kurze Zeit kehrte Ruhe ein.
Bevor die Staatsanwaltschaft damit beginnen kann, überhaupt eine einzige Seite der insgesamt 3.500 Blätter starken Anklageschrift zu verlesen, muss abgebrochen werden. Der Rechtsanwalt der Verlobten des Angeklagten Köller reicht einen Befangenheitsantrag ein. Eine Zahl in der Schrift des Richters unterscheide sich von der der Staatsanwaltschaft. Ein anderes Gericht muss nun über den Befangenheitsantrag entscheiden. Die Verlesung der Anklageschrift, für die 12 Tage angesetzt sind, kann frühestens am nächsten Dienstag beginnen.
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