Macht und Ohnmacht beim Essen

Monopole Nur eine Handvoll Unternehmen bestimmt weltweit über Produktion und Vermarktung von Lebensmitteln – auf Kosten von Kleinbauern und Landarbeitern

Im Vorfeld des G-7-Gipfels Anfang Juni fordern die Hauptakteure des Fairen Handels in Deutschland die Bundesregierung auf, soziale Mindeststandards in globalen Lieferketten durchzusetzen. Gemeinsam veröffentlichen das Forum Fairer Handel e.V., GEPA, MISEREOR, TransFair e.V. und der Weltladen-Dachverband e.V. im Mai die deutsche Fassung einer aktuellen Studie des Fair Trade Advocacy Office in Brüssel zum Thema Marktmacht. Die Studie mit dem Titel „Wer hat die Macht? Machtkonzentration und unlautere Handelspraktiken in landwirtschaftlichen Wertschöpfungsketten“ stellt umfassend die Benachteiligung kleinbäuerlicher Produzenten dar. (ks)

von Kristina Simons

Rund 820.000 Kinder arbeiten nach einem Bericht des US Department of Labor von 2012 auf den Kakaoplantagen der Elfenbeinküste, mehr als die Hälfte von ihnen berichtet von Unfällen aufgrund der teils gefährlichen Arbeiten. Die Kinder tragen Kakaofrüchte zusammen, öffnen sie, trocknen die Bohnen, verpacken und verladen sie. Sie pflegen die Bäume, ­jäten Unkraut, bringen Dünge- und Spritzmittel aus. Sie ­schuften oft zwölf und mehr Stunden an jedem Tag der Woche, bei sengender Hitze.

Rund 5,5 Millionen Kleinbäuerinnen und -bauern vor allem aus der Elfenbeinküste und Ghana bauen mehr als 90 Prozent des weltweiten Kakaos an. Doch gerade mal drei Konzerne kontrollieren die Hälfte der globalen Kakao-Verarbeitung, fünf weitere den Schokoladenmarkt. Sie stammen aus den G-7-Ländern oder der Schweiz. Seit der Liberalisierung des Kakaomarktes 1990 ist der ohnehin schon geringe Anteil, den die Bäuerinnen und Bauern am endgültigen Wert des Kakaoprodukts erhalten, noch weiter gesunken. In vielen westafrikanischen Ländern liegt das Einkommen der Familien weit unter der Armutsgrenze und sie sehen sich schlicht dazu gezwungen, ihre Kinder mitarbeiten zu lassen.

Gestiegen ist hingegen der Anteil, den die Konzerne für die Kakaoprodukte einstreichen. „Selbst wenn die Abnehmer von Kakao behaupten, die Einkommen der Bauern durch höhere Erträge verbessert zu haben, haben davon in Wirklichkeit die Unternehmen profitiert, die Wirkung auf das Einkommen von Bauern war eher gering.“ Das konstatiert die Studie „Wer hat die Macht? Machtkonzentration und unlautere Handelspraktiken in landwirtschaftlichen Wertschöpfungsketten“ (siehe Infokasten).

Bananen, Zuckerrohr, Kaffee, Schokolade: Die Studie nennt eine ganze Reihe von Beispielen für die eklatante Benachteiligung kleinbäuerlicher Produzenten, deckt die Macht einiger weniger Unternehmen auf, die weltweit über Produktion und Vermarktung von Lebensmitteln bestimmen. Zum Beispiel kontrollieren die fünf Einzelhändler Aldi, Lidl, Metro Group, Tesco und Carrefour über die Hälfte des Nahrungsmittelmarktes in Europa. Die Machtverdichtung in landwirtschaftlichen Produktketten ist nicht zufällig, sondern strukturell und weit verbreitet bei Anbietern von Agrarbetriebsmitteln, Handelskonzernen, Markenherstellern und Einzelhändlern, heißt es in der Studie.

Die Machtverdichtung am Markt ist strukturell und weit verbreitet

Großabnehmer können die Handelsbedingungen bestimmen und den Preis- und Kostendruck entlang der Lieferkette weitergeben – auf Kosten von Lieferanten und Produzenten. Die Folgen sind Kinderarbeit, unsichere Lebens- und prekäre Arbeitsverhältnisse sowie Umweltzerstörung. „Die extreme Machtkonzentration verhindert Wettbewerb und damit faire Preise und Bedingungen. Darunter leiden insbesondere Kleinbauernkooperativen, deren Existenzgrundlage von ihren Exporten abhängt“, sagt Dieter Overath, Geschäftsführer von TransFair (Fairtrade Deutschland).

Die Probleme spitzen sich zu und adäquate politische Instrumente auf nationaler, europäischer und globaler Ebene fehlen. Auch das Wettbewerbsrecht arbeitet vielfach gegen Kleinproduzenten, indem es sich auf die Verbraucherendpreise fokussiert, konstatiert die Studie. Deshalb müssten die Regierungen wichtiger Importländer, vor allem der G 7, Transparenz in Lieferketten sicherstellen und sich für existenzsichernde Einkommen und Löhne einsetzen. Wird angesichts von Flüchtlingsströmen aus vielen afrikanischen Ländern doch immer wieder betont, man müsse die Fluchtursachen in den Herkunftsländern beseitigen: Hier wäre ein guter Ansatz. Zumal die Importländer die Ursachen mit schaffen oder sie zumindest aufrechterhalten.

Die Studie „Wer hat die Macht?“ kommt zu dem Ergebnis, der Faire Handel habe bewiesen, dass langfristige Verträge, kostendeckende Preise und transparente Handelsbedingungen möglich sind, dass sie bedeutende positive Auswirkungen auf Kleinbauern und Arbeitskräfte haben. Doch auch weitere Unterstützung sei geboten: „Über die Sicherung von Menschenrechten und Arbeitsrechten entlang der Kette hinaus sind insbesondere die Eindämmung von Marktmacht und die Verhinderung unlauterer Handelspraktiken dringende Aufgabe der Politik.“