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Unter schwierigsten Bedingungen handeln

Nahost Ob Libanon, Ägypten oder Palästina: In den vergangenen Jahren hat sich die Lage dort sehr verschlechtert, gerade für die Ärmsten. Einige Akteure bieten langfristige Perspektiven

Nicht nur technische Ausstattung, sondern auch Bewusstseinsbildung

von Ole Schulz

Trockenfrüchte und Olivenöl, Couscous und Christbaumschmuck, Tees und Gewürze – zahlreiche Produkte des Fairen Handels kommen aus dem Nahen Osten. Doch die Produzenten vor Ort kämpfen mit besonderen Herausforderungen. Der Libanon zum Beispiel muss fast zwei Millionen Flüchtlinge versorgen, vor allem aus Syrien. Dagegen bleiben in Ägypten nach der Krise die Touristen weg – darunter leiden auch die traditionellen Baumwollwebereien.

Am schwierigsten ist die Lage aber weiterhin in Palästina. Zu den immer wiederkehrenden Dürren kommen extrem schwierige Lebensbedingungen und die dauernden Spannungen mit Israel. Die politische Situation sei „traurig und kompliziert“, sagt Suzan Sahori von den Bethlehem Fair Trade Artisans aus Palästina. Ihre Landsleute erwarteten „keine positiven Entwicklungen in den nächsten Jahren“. Wie immer, so Sahori, „leiden die Ärmsten der Armen am meisten darunter“.

Die Bethlehem Fair Trade Artisans versuchen, einigen von ihnen eine Perspektive zu bieten: Über 50 handwerkliche Produktionsstätten haben sich ihr seit der Gründung 2009 angeschlossen. Damit war man die erste Fair-Trade-Organisation in Palästina. Die heilige Stadt im Westjordanland ist bekannt für ihr Kunsthandwerk. Laut Sahori lebt mehr als die Hälfte der Bevölkerung von Herstellung und Verkauf kunsthandwerklicher Waren, vor allem von Schnitzereien aus Olivenholz – von Heiligenfiguren über Christbaumschmuck bis hin zu Küchenutensilien. Die meisten Produzenten, bei denen es sich in der Regel um kleine, prekäre Familienbetriebe handelt, können davon allerdings nur gerade so überleben.

Der Faire Handel bietet dagegen längerfristige Perspektiven: „Es werden nicht nur faire Preise gezahlt, sondern auch vorher festgelegte Mengen abgenommen“, sagt Sahori. Die Souveniergeschäfte in Bethlehem kaufen indes nur nach Bedarf zu sehr niedrigen Preisen bei den Produzenten ein – und bezahlen oft erst viel später. Die Exportorientierung unter den Bedingungen des Fairen Handels ist gerade deshalb wichtig, sagt Sahori, weil der lokale Markt stark davon abhängig ist, ob viele Touristen in die Stadt kommen – oder weniger, wie zurzeit wieder einmal.

Mona Bouazza von Fair Trade Libanon sieht das ähnlich. Der 2006 gegründete Dachverband betreut 17 Kooperativen und fünf Unternehmen im Libanon, die rund 60 verschiedene Produkte aus dem Nahrungsmittelbereich nach Kriterien des Fairen Handels herstellen. „Wir haben erst 2012 begonnen, auch für den inländischen Markt zu produzieren“, erläutert Bouazza. Dieser Bereich wächst – und das trotz der aufgrund der Flüchtlinge aus Syrien schwierigen Situation im Libanon. Doch auch die Exporte steigen seit Jahren. „Es gehen immer noch bis zu 75 Prozent unserer Waren ins Ausland.“

Fair Trade Libanon kümmert sich in den Kooperativen nicht nur um die technische Ausstattung, sondern auch um Bewusstseinsbildung. Dazu werden Trainings abgehalten, unter anderem für syrische Frauen. „Wir gehen aber auch in Schulen und Universitäten, um über den Fairen Handel aufzuklären.“ Derzeit ist man dabei, Fair Trade Towns im Lande zu etablieren. Nächstes Jahr soll darum die jährliche Konferenz der Fair Trade Towns im Libanon stattfinden.

Dass sich die Strukturen für den Fairen Handel im Nahen Osten im Laufe der Jahre trotz aller Probleme verbessert, glaubt auch El-Puente-Geschäftsführer Martin Moritz. „Früher war es schon schwierig, einen Container mit palästinensischen Waren aus Israel herauszubekommen – inzwischen ist das Alltag.“ Deutschlands zweitgrößter Importeur von Fair Trade-Produkten ist bereits länger in der Region engagiert. „Mit dem Palestinian Agricultural Relief Committee zum Beispiel arbeiten wir schon über 20 Jahre zusammen.“

Um die Beziehungen weiter zu vertiefen, waren gerade Vertreter zahlreicher Fairhandels-Akteure aus dem Nahen Osten auf Einladung der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) zu Besuch in Deutschland. Auf der Messe Fair Trade & Friends in Dortmund nahmen sie an der Sonderschau „Orient meets Occident“ teil und besuchten Partner wie El Puente vor Ort. Es sei sehr interessant gewesen, die Produkte anderer Hersteller zu sehen und auf diesem Wege auch den Markt besser zu verstehen, sagt Suzan Sahori von den Bethlehem Fair Trade Artisans. Vor allem aber sei es wichtig gewesen, „die Partner in Deutschland endlich einmal von Angesicht zu Angesicht zu sehen“.

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