Vor dem Koalitionsausschuss: Unionsstreit über Flüchtlinge

Die Linie im Unionslager ist uneinheitlich: Besonders die CSU kritisiert die zeitweilige Grenzöffnung für Geflüchtete aus Ungarn und Österreich.

Polizeipräsident Josef Rückl und Innenminister Herrmann

Der bayerische Innenminister (r.) verlässt sich in der Flüchtlingsfrage lieber auf die Polizei. Foto: dpa

BERLIN dpa | Die Entscheidung von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) für eine Aufnahme der in Ungarn festsitzenden Flüchtlinge stößt auf scharfe Kritik der Schwesterpartei CSU. Das Parteipräsidium habe die vom Bund erteilte Einreiseerlaubnis in einer eigens einberufenen Telefonkonferenz einmütig als „falsche Entscheidung“ gerügt, sagte Generalsekretär Andreas Scheuer am Samstagabend in München.

Mehrere Präsidiumsmitglieder hätten vor einer „zusätzlichen Sog-Wirkung“ gewarnt. Die CSU wolle dies in der Sitzung des Koalitionsausschusses am Sonntagabend in Berlin deutlich thematisieren. Die Bild am Sonntag hatte als erstes über die Präsidiumsschelte berichtet.

Der massenhafte Zustrom von Flüchtlingen nach Deutschland müsse begrenzt werden, betonte Scheuer. „So kann es nicht weitergehen.“ Jeder Flüchtling, der sich nach Europa aufmache, denke an Deutschland. „Aber das kann Deutschland alleine nicht leisten.“

Bayerns CSU-Innenminister Joachim Herrmann sagte beim Besuch einer Polizeidienststelle in Passau, die Entscheidung sei mit den Ländern nicht abgesprochen gewesen. Sie sei ein „völlig falsches Signal innerhalb Europas“, das korrigiert werden müsse.

SPD lobt Kanzlerin

Dagegen lobte SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi die Bundeskanzlerin ausdrücklich: „Die Entscheidung der Bundesregierung in dieser humanitären Ausnahmesituation war die einzig richtige“, sagte sie der Bild am Sonntag. „Wir mussten ein starkes Signal der Menschlichkeit setzen – um zu zeigen, dass Europas Werte auch in schwierigen Zeiten gelten.“

Beim Treffen der Koalitionsspitzen am Sonntag Abend soll im Kanzleramt unter anderem geklärt werden, wie viel Geld der Bund den Ländern und Kommunen für die Flüchtlingshilfe zusätzlich zur Verfügung stellen will. Haushälter von Union und SPD beziffern den Spielraum auf bis zu fünf Milliarden Euro, ohne den ausgeglichenen Haushalt zu gefährden. Endgültige Entscheidungen dürften am 24. September bei einem Bund-Länder-Gipfel fallen.

Die Gesamtkosten für die Betreuung der Flüchtlinge belaufen sich nach Recherchen der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung (FAS) auf rund 10 Milliarden Euro in diesem Jahr. Nachdem beim Flüchtlingsgipfel im Juli ein Bedarf von 5,6 Milliarden Euro für 450.000 Asylbewerber veranschlagt worden war, sei ein solches Volumen für die nun prognostizierten 800.000 Neuankömmlinge von der Größenordnung her realistisch, hieß es der Zeitung zufolge übereinstimmend aus verschiedenen Verwaltungen auf Kommunal-, Landes- und Bundesebene.

Forderung nach Einwanderungsgesetz

Auf kommunaler Ebene würden die jährlichen Kosten pro Flüchtling je nach Bundesland mit 12.000 bis 13.000 Euro beziffert, schreibt die FAS. Darin enthalten seien Unterkunft, Verpflegung, Taschengeld, Gesundheitskosten und Verwaltungsaufwand. Auch hieraus ergebe sich bei 800.000 Flüchtlingen eine Summe von ungefähr 10 Milliarden Euro.

Beim Koalitionsausschuss ausgeklammert werden sollen gravierende Streitpunkte zwischen Union und SPD – etwa die Frage, ob an Flüchtlinge Sachleistungen statt Bargeld ausgereicht werden sollen, und ob es, wie von der SPD gefordert, ein Einwanderungsgesetz braucht. Die Spitzenpolitiker sprächen „ausschließlich über die Frage, wie wir die große Zahl der Flüchtlinge in Deutschland menschenwürdig unterbringen können“, sagte SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann.

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) pochte am Samstag auf Haushaltsdisziplin trotz erheblicher Mehrkosten durch steigende Flüchtlingszahlen: „Wir können nicht einfach sagen: Weil wir eine schwere Aufgabe haben, spielt jetzt der ausgeglichene Haushalt oder die Frage der Verschuldung überhaupt keine Rolle mehr.“ Bei der Unterbringung von Flüchtlingen und der Integration dauerhaft in Deutschland bleibender Menschen müsse „jede Ebene – Länder, Kommunen und auch der Bund – ihren fairen Anteil tragen“.

Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) sagte bei einem Treffen der G20-Finanzminister und –Notenbankchefs in Ankara, zur Deckung des Kosten solle der in diesem Jahr erwartete Milliarden-Überschuss als künftiger Puffer genutzt werden. Dafür ist ein Nachtragsetat nötig.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.