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Aufs Willkommen folgt Abschreckung

Koalition Der Bund stellt sechs Milliarden für Flüchtlingshilfe zur Verfügung. Doch zugleich soll Deutschland weniger attraktiv werden – durch schnellere Abschiebungen, verschärfte Residenzpflicht und weniger Bargeld

Aus Berlin Malte Kreutzfeldt

An Lob für die deutsche Willkommenskultur herrschte am Montag kein Mangel, als Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und SPD-Chef Sigmar Gabriel gemeinsam vor die Kameras traten. „Deutschland zeigt wirklich ein Bild, auf das wir stolz sein können“, sagte Gabriel zu den vielen Ehrenamtlichen, die Flüchtlinge unterstützen. Merkel sprach von einem „bewegenden, zum Teil atemberaubenden Wochenende“.

Angesichts der Welle an Hilfsbereitschaft, die das Land erfasst hat, will auch die Bundesregierung nicht abseits stehen. Länder und Kommunen sollen im nächsten Jahr 3 Milliarden Euro zusätzlich vom Bund erhalten, um ihre finanzielle Belastung durch die hohe Zahl an Flüchtlingen abzumildern. Zudem will der Bund eigene Immobilien als Unterkünfte zur Verfügung stellen und darüber hinaus die Schaffung von Wohnraum für Flüchtlinge unterstützen – mit Geld und mit der vorübergehenden Lockerung von Bauvorschriften. Weitere 3 Milliarden Euro werden zusätzlich in den Bundeshaushalt eingestellt, unter anderem für zusätzliche Integrationsleistungen wie Deutschkurse und für neue Stellen beim Bundesamt für Migration und der Bundespolizei, die zur schnelleren Bearbeitung von Asylanträgen führen sollen. Finanziert wird dies über Steuermehreinnahmen (siehe Seite 4).

Der dritte ­Koalitionspartner, die CSU, fehlte bei der Pressekonferenz. Doch Parteichef Horst Seehofer kann dennoch zufrieden sein: Nachdem die CSU zuvor deutlich Kritik an Merkel geübt hatte, weil sie der Aufnahme von Flüchtlingen aus Ungarn zugestimmt hatte, erklärt nun auch die Koalition, dass diese Entscheidung „eine Ausnahme bleiben“ solle. Zudem fanden viele CSU-Forderungen, die auf Abschreckung von Flüchtlingen abzielen, Eingang in den Beschluss der Koa­li­tion.

„Wir haben darüber gesprochen, Fehlanreize zu beseitigen“, sagte Merkel dazu. Für Gabriel steht fest, dass sich die für dieses Jahr erwartete Aufnahme von 800.000 Flüchtlingen in Deutschland „sich nicht auf Dauer jedes Jahr wiederholen kann“. Darum sollen Flüchtlinge in den Erstaufnahmeeinrichtungen statt Bargeld künftig „so weit wie möglich“ Sachleistungen erhalten – obwohl dies den Verwaltungsaufwand für Kommunen erheblich erhöht und damit im Gegensatz zur angestrebten Entlastung steht. Falls es doch Geld gibt, soll dies höchstens für einen Monat im Voraus ausgezahlt werden. Zudem sollen abgelehnte Asylbewerber künftig schneller abgeschoben werden: Ein Aufschub aus humanitären oder politischen Gründen soll statt für sechs nur noch für drei Monate möglich sein.

Weiterhin planen Union und SPD, dass Flüchtlinge künftig bis zu sechs Monate in den Erstaufnahmeeinrichtungen bleiben und den Landkreis währenddessen nicht verlassen dürfen. Menschen aus sogenannten sicheren Herkunftsstaaten sollen sogar bis zum Ende ihres Verfahrens in den zentralen Erstaufnahmeeinrichtungen bleiben, statt auf die Landkreise verteilt zu werden.

Und solche sicheren Herkunftsstaaten soll es in Zukunft noch mehr geben: Auch Kosovo, Albanien und Montenegro will die Koalition durch eine Gesetzesänderung zu Staaten erklären, in denen es keine politische Verfolgung gibt. Dazu ist allerdings die Zustimmung des Bundesrats erforderlich – und damit angesichts der Mehrheitsverhältnisse auch von Ländern mit grüner Regierungsbeteiligung. Dies scheint durchaus rea­listisch, obwohl die Partei dies bisher abgelehnt hat.

„Deutschland zeigt wirklich ein Bild, auf das wir stolz sein können“

SPD-Parteichef Sigmar Gabriel

Der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Die Grünen), der im letzten Jahr bereits zugestimmt hatte, als es um Serbien, Mazedonien und Bosnien-Herzigowina ging, bezeichnete die ­Beschlüsse als „ordentliche“ Verhandlungsgrundlage. Auch Par­tei­chef Cem Özdemir wollte am Montag die Zustimmung der Grünen nicht ausschließen. „Wir schauen uns das Gesamtpaket an und entscheiden dann.“ Die Menschen vom Balkan bräuchten andere Einreisemöglichkeiten als die meist aussichtslosen Asylverfahren, sagte Özdemir. Diesem Wunsch will die Regierung offenbar entgegenkommen, indem sie Bürgern der Balkanstaaten begrenzt das Arbeiten in Deutschland erlauben will (siehe rechts).

Scharfe Kritik an den Vorschlägen der Koalition kam von der Linkspartei. „Unter dem Deckmantel der Flüchtlingshilfe weitere Verschärfungen im Asylrecht durchzudrücken, ist einfach nur dreist“, sagte die innenpolitische Sprecherin Ulla Jelpke. Die Menschenrechtsorganisation Pro Asyl lehnte die Pläne ebenfalls ab. „Die Regierung schaltet mit diesen Beschlüssen von Aufnahme auf Abwehr von Flüchtlingen um“, sagte Geschäftsführer Günter Burkhardt.

Doch davon will die Kanzlerin nichts wissen. „Deutschland ist ein aufnahmebereites Land“, sagte Merkel. Dass Flüchtlinge mit ihrem Bild für die Einreise demonstrieren, gefällt der CDU-Chefin. „Das gilt ja dem ganzen Land“, sagte sie. „Das finde ich schön.“

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