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Ein Sommer in Bremerhaven

TRÄGE Der Kunstverein Bremerhaven widmet Dino Steinhof eine kleine Einzelschau. „In a Hurry“ heißt die Ausstellung und der Künstler zeichnet das Bild eines trostlosen Sommers ohne Meer und Sonne

Der Kunstverein Bremerhaven ist bekannt für seine äußerst selbstbewusst inszenierten Ausstellungen. Meist werden nur wenige Arbeiten ausgestellt. Aber eben dieses Wenige evoziert die Ahnung von etwas Größerem. Auf diese Weise entsteht große Kunst.

In den Ausstellungsräumen aus den 60er-Jahren gibt es grobe, beige Teppichböden, holzvertäfelte Wände und Emporen aus Holz. Der Umgang mit diesen Räumen ist überaus selbstbewusst. Denn statt die historischen Spleens zu kaschieren, werden sie oft in die Ausstellungen eingebunden und so selbst zum Thema. Gelegentlich sind diese Räume und die Stadt, in der sie liegen, für die Künstler sogar der Ausgangspunkt.

So auch in Dino Steinhofs kleiner Einzelausstellung „In a Hurry“, die dort momentan zu sehen ist. Der 28-jährige Steinhof hat in Bremerhaven Abitur gemacht, in Münster bei der türkischen Künstlerin Ayşe Erkmen studiert und lebt jetzt in Berlin. „In a Hurry“ ist die diesjährige Sommerausstellung des Kunstvereins Bremerhaven. Und um den Sommer geht es auch. Um einen kahlen, leeren und trostlosen Sommer. Es ist ein Bremerhavener Sommer.

Im Hauptausstellungssaal stehen drei hölzerne Objekte herum. Sie erinnern entfernt an Liegesitze, wie man sie an Strandbars findet. Die Bremerhavener Gäste werden in den Objekten die Wellenbrecher vom örtlichen Deich wiedererkennen. Man kann sich drauf setzen und es ist nicht unbequem. Ein Sitzkissen wäre nett, aber das gibt es nicht. Es gibt auch kein Meer und keine Sonne. Der Raum ist warm und künstlich beleuchtet. Andere Gäste fehlen auch, nur hinten am Eingang sitzt eine Frau in einem gläsernen Kassenkubus. Doch die bringt leider weder Eis noch Aperol-Spritz.

Es ist eine unwirtliche Sommerlandschaft, die Steinhof hier in den Ausstellungsräumen errichtet hat. Von der Empore, die den Charakter eines Schiffsdecks hat, hängen verlassene Liegematten. Kahl und leer wirkt dieser Badestrand. Der Sommer hat das Leben überdauert. Im Flur hat der Künstler nicht durch Hinzufügen von neuen Dingen, sondern durch Entfernen der gewohnten Gegenstände einen phantastischen Raum geschaffen.

Der Eingriff ist minimal. Aus der Decke hat Steinhof einige Milchglasplatten herausgenommen und so den Blick auf die technische Versorgung des Museums freigelegt. Man blickt hoch, wie in den Rumpf eines Schiffes. Sieht in mehreren Ebenen Laufgitter, die an Gangways erinnern, sieht in der Tiefe Stahlrohre und Lüftungsanlagen.

Das Seefahrtsthema liegt nicht nur durch den Ort so nahe, auch durch die Räume, in denen in den vergangenen Jahren immer wieder Künstlerinnen und Künstlern zu diesem Thema gearbeitet haben. Von Andreas Slominski bis Anika Kahrs. In einer Auslage liegen aus dem Netz ausgedruckte Bilder in DIN A4. Gezeigt werden andere Hafenstädte. Sydney sieht man öfter. Steinhof hat vor der Eröffnung seiner Ausstellung diese ausgedruckten Zettel in der Bremerhavener Innenstadt verteilt. Um zu zeigen, dass es auch anderswo einen Hafen gibt? Oder dass es woanders schöner ist? Ein schaler Scherz.

In einem anderen Ausstellungsraum läuft eine Videoprojektion. Man sieht darin ausgewachsenen Eisbären. Träge liegt er auf dem Boden. Und als reiche diese Trägheit allein nicht schon aus, hat Dino Steinhof die Geschwindigkeit des Films noch mal um die Hälfte reduziert. Im Bremerhavener Zoo gibt es einen solchen Eisbären. Das Tier im Film dreht seinen Kopf gequält von der einen auf die andere Seite. Es wirkt, als sei der Eisbär im Begriff zu sterben. Und diesen Sommer ganz alleine zu lassen. Radek Krolczyk

Ausstellung von Dino Steinhofs „In a Hurry“: bis zum 23. August, Kunsthalle, Karlsburg 4, Bremerhaven

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