„Im ersten Jahr ganz schön getestet“

Jungpolitikerinnen Gilt als Abgeordnete mit Kompetenz und Biss: Linksparteilerin Susanna Karawanskij

Susanna Karawanskij (Linkspartei) Foto: Jan Woitas/dpa/picture alliance

BERLIN taz | Sie kommt ohne Baby. Aber ihr Mann, sagt Susanna Karawanskij, werde in zwei Stunden den Kinderwagen vorbeischieben. Damit sie das Neugeborene stillen kann. Die Bundestagsabgeordnete der Linkspartei hat vor zwei Monaten eine Tochter geboren. In dem schlichten Straßencafé in der Nähe des Leipziger Hauptbahnhofs bestellt die junge Mutter eine große Flasche Wasser. Sie sieht ausgeruht aus, ganz in Schwarz gekleidet. „Es geht mir gut“, sagt sie.

Das Baby wurde kam kurz vor der parlamentarischen Sommerpause. Das passte perfekt, so gehört der Sommer ganz Karawanskijs Familie: Mutter, Vater, Kind. Keine Sitzungen, keine Debatten, keine Termine. Höchstens mal ein paar Anrufe. Aus Berlin oder aus Eilenburg, Torgau oder Oschatz.

Die Kreisstädte befinden sich in Karawanskijs Wahlkreis Nordsachsen. Seit 2013 sitzt die Politik- und Kulturwissenschaftlerin im Bundestag. Nach einer Blitzkarriere in der Lokalpolitik: 2008 Eintritt in die Linke, 2009 Geschäftsführerin der Kreistagsfraktion Nordsachsen, 2012 Chefin des Kreisverbands Nordwestsachsen.

Karawanskij, 35, gehört zu jenen jungen Parlamentarierinnen, von denen gern behauptet wird, sie werden die Politik und die Republik verändern. Und die über sich selbst sagen, dass Frausein im Politikbetrieb kein Handicap mehr ist. Aber sind sie tatsächlich so gleichberechtigt wie behauptet?

Wenn Anfang September der Politikbetrieb in Berlin wieder losgeht, wird Susanne Karawanskij ihre Tochter öfter mit ins Büro nehmen. Sie wird eine Babyecke einrichten und ihren Sonntag politikfrei halten. Damit folgt sie Parlamentskolleginnen wie Franziska Brantner von den Grünen, Kristina Schröder von der CDU oder Manuela Schwesig, der SPD-Familienministerin. Sie alle haben kleine Kinder und wollen sich Zeit nehmen für sie. Die Grüne Brantner hat dafür die partei­übergreifende Initiative angeschoben: „Sonntags gehören Mutti und Vati uns.“ Es geht um gelebte Vereinbarkeit, um die Forderung, sich nicht rechtfertigen zu müssen, wenn man am Wochenende für die Familie da sein will.

Der Unterausschuss Kommunales im Bundestag, in dem Karawanskij Mitglied ist, beginnt morgens um Viertel vor acht. Nahtlos geht es weiter im Fi­nanz­aus­schuss. Dieser Ausschuss ist ohnehin eine besondere Herausforderung: Finanzen sind traditionell ein männlich besetztes Feld, von 37 Mitgliedern im Finanzausschuss sind 28 Männer. Als Karawanskij dort das erste Mal sprach, taten manche Ausschussmitglieder so, als sei die Neue gar nicht da. Sie quatschten und hörten nicht zu. Als dagegen Karawanskij Parteikollege Axel Troost das Wort ergriff, trat Schweigen ein. „Im ersten Jahr wurde ich ganz schön getestet“, sagt Karawanskij.

Karawanskij wird nachgesagt, „Biss“ zu haben. Bei ihrer letzten Rede im Parlament vor der Sommerpause zeigte sie das. Sie sprach zur Reform der Lebensversicherungen, kritisierte, dass der Staat den Menschen ihre Alterssicherung privat überlasse. Und sie sagte, dass die Koalition vor der „Versicherungslobby eingeknickt“ sei. Sie erntete Buhrufe. Aber sie sprach stoisch weiter. Im Finanz­ausschuss attestiert man ihr mittlerweile „starke Kompetenz“. Sie sagt: „Egal ob als Frau oder als Mann, am Ende zählt die fachliche Expertise.“

Sie wollen nicht mehr so weitermachen. Im Frühjahr taten sich junge Parlamentarierinnen zusammen und forderten, die Politik müsse sich ändern. In loser Reihenfolge stellen wir einige von ihnen vor und fragen: Was machen die Jüngeren anders als die Generation zuvor? Ist die Zeit, in der Frau­sein in der Politik ein Handicap war, vorbei?

Trotzdem: Bild hatte Karawanskij nach ihrem Antritt als „Miss Bundestag“ nominiert, andere Zeitungen beschrieben die Linke als „neues, schönes Gesicht des Sozialismus“. „Es wäre gelogen zu behaupten, in der Politik spielt Optik keine Rolle“, sagt Karawanskij. Was ist daran so schlimm, fragt sie: „Manchmal wünsche ich mir mehr Sexiness in der Politik.“

Karawanskijs Mann biegt mit dem Kinderwagen um die Ecke. Das Baby ist aufgewacht und wird gleich schreien. Der Mann ist Politiker, ebenfalls bei der Linkspartei, und er nimmt zwölf Monate Elternzeit. Karawanskij sagt: „Das finde ich sexy.“