: Komm in den Körnerpark und schau
Kunst Versuchen Pflanzen mit uns zu kommunizieren? Die Ausstellung „Andere Gärten“ in der Neuköllner Orangerie
Plötzlich war es wieder warm geworden, die Blumen auf dem Balkon freuten sich. Vor der Kirche am Bücherplatz stehen Leute in festlichen Kleidern, etwa Anzügen und weißen Hemden. Es ist wohl eine Hochzeit.
Später steigen Luftballons in Herzchenform in die Luft. Ein Polizeiauto steht auch da und fast in dem gleichen Ton, mit dem etwa dazu aufgefordert wird, diese oder jene Straße zu räumen, sagt ein Megafonbeauftragter: „Die Polizei in Berlin gratuliert zur Hochzeit.“
Ich flicke mein Fahrrad, weil ich noch zum Körnerpark fahren möchte. Das Loch ist schnell gefunden, das Fahrrad wieder zusammengebaut. Am Hermannplatz fällt mir auf, dass ich Luft verliere. Zum Glück hab ich meine Luftpumpe dabei. Dann bin ich auch schon beim Körnerpark.
Der Körnerpark wirkt wohl geordnet. Weil er aussieht wie ein Schlosspark, ist es hier so wie in Paris. Die Leute liegen auf dem Gras, auch da, wo das Betreten der Rasenflächen verboten ist. Alles ist ein bisschen verschlafen hochsommerlich.
„Der lang gestreckte Raum der neobarocken Orangerieanlage bietet mit seiner hohen Fensterfront und dem malerischen Ausblick auf den Park einen ganz besonderen Rahmen für alle Sparten der Kunst“, heißt es auf Wikipedia. Bis zum 11. Oktober kann man sich hier noch die Ausstellung „Andere Gärten“ anschauen.
Direkt gegenüber dem Eingang steht ein großer Fernseher. Im Fernseher läuft ein Video, das eigentlich eine Diaschau ist mit unterschiedlichen Kapitelüberschriften wie: „Versuchen Pflanzen mit uns zu kommunizieren?“ – „Wie helfen Menschen ihren grünen Nachbarn?“ oder „Wie können Pflanzen und Menschen in Symbiose leben?“
Die ethnografischen, oft auch komischen Fotos aus aller Welt, zum Beispiel aus Berlin, Brooklyn, Honolulu, Kioto, Aarhus usw., gehören zu dem Projekt „Urban Plant Research“, das Leslie Kuo (Berlin) und Sara Bouchard (Brooklyn) ins Leben gerufen haben, um das Leben von Pflanzen in urbanen Räumen zu beobachten. In ihrem großartigen Blog (www.urbanplantresearch.org), an dem sich jeder beteiligen kann, gibt es mehr davon zu sehen.
Barbara Eitel beschäftigt sich in ihren Boden- und Papierschnittzeichnungen mit Vorgärten. Die Papierschnittzeichnungen wirken teils so filigran wie Stickereien. Juliane Laitzschs kleinformatige Zeichnungen mit dem Titel „Der Garten zum Quadrat“ die „im Dialog mit Kunsthandwerklichen Sammlungsstücken des Museums Pfalzgalerie Kaiserslautern entstanden“ sind (wie es auf ihrer Internetseite heißt), entwickeln florale Motive alter Teller, Gläser und Stoffe weiter.
Farkhondeh Shahroudi arbeitet mit dem islamischen Motiv des Teppichs als mobilem Garten. Seine Fotomontage „gülüzar“ zeigt einen Wohnwagen, der 2015 in der Görlitzer Straße stand und mit Teppichteilen beklebt ist. Während in der Installation „Implantat“ von Jörg Finus die Vernutzung von Natur thematisiert wird, ist Lätitias Norkeits Videoarbeit „Quasi Grün“ eine mit lyrischen Texten unterlegte Fernsehdiaschau.
Den größten Teil der Ausstellung bespielt Nele Ströbel mit ihrem sehr schönen Projekt „hortus conclusus“. Eigentlich geht es um Klostergärten. Es gibt marterpfahlgroße Wandelhölzer aus gegeneinander verschiebbaren Holzsegmenten, „Intro Plastiken“, die an Petrischalen mit organischen Ornamenten erinnern, und drei großformatige Zeichnungen, die an Spielkarten denken lassen und eine fast meditative Ausstrahlung haben.
Es ist angenehm kühl und still in der Orangerie. Nur manchmal fotografieren sich Touristen vor den Kunstwerken. Draußen im Garten spielen ein paar Leute tatsächlich Boccia, und mit gewaltiger Kraft werden die Wassermassen des Brunnens wohl zehn Meter in die Luft geschleudert. Detlef Kuhlbrodt
„Andere Gärten“. Galerie im Körnerpark, Führungen: jeden Sonntag, 15 Uhr
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