: Präsidentin Dilma Rousseff ist so unbeliebt wie nie zuvor
Brasilien In 100 Städten protestieren eine Million gegen die Korruption und die hohe Inflation
Es war bereits die dritte Protestwelle in diesem Jahr, sie erreichte aber nicht die Zahl von 1,7 Millionen Demonstranten wie Mitte März. Laut einer Umfrage sind 66 Prozent für ein Amtsenthebungsverfahren gegen die linksgerichtete Präsidentin, obwohl Rousseff erst im Oktober 2014 für eine zweite Amtszeit gewählt worden war. Aber der Protest richtete sich auch gegen Expräsident Luiz Inacio Lula da Silva, in der Hauptstadt Brasilia war eine riesige aufgeblasene Lula-Figur in gestreifter Häftlingsuniform zu sehen.
Bei überhöhten Vertragsabschlüssen für Bauaufträge sollen Politiker über Jahre Provisionen kassiert haben. Rousseff bestreitet jede Verwicklung. Das System soll einen Schaden von mehreren Milliarden Euro angerichtet haben. Dabei geht es im Kern um Geschäfte von Baukonzernen wie Odebrecht und dem größten Unternehmen des Landes, Petrobras, dessen Verwaltungsratschefin Rousseff von 2003 bis 2010 war.
In Rio demonstrierten tausende Menschen an der Copacabana. Einige Demonstranten trugen T-Shirts des Richters Sérgio Moro, der auch vor großen Namen keinen Halt macht – und mit der Bundespolizei rigoros aufräumt. Rousseff berief wegen der Proteste eine Krisensitzung ein. In Rio forderten Demonstranten auf Plakaten, Rousseff und Lula müssten ins Gefängnis. „Raus mit Dilma und der Arbeiterpartei“, stand ebenfalls auf Plakaten.
Viele Bürger macht neben der Korruptionsaffäre die hohe Inflation Sorgen – sie kletterte im Juli auf fast 10 Prozent binnen einem Jahr. Viele Brasilianer ächzen unter steigenden Preisen. Gesunkene Rohstoffpreise schwächen die Wirtschaft, der Konsum ist eingebrochen. Viele Bürger fürchten um ihre Jobs. Der Internationale Währungsfonds erwartet, dass das Bruttoinlandsprodukt in diesem Jahr sogar um 1,5 Prozent sinkt.
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