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Studie zur Unzufriedenheit von ElternVielen Dank, das erste Kind reicht!

Wenn das erste Kind unglücklich macht, gibt es wahrscheinlich keine Geschwister. Wissenschafter haben Eltern zu ihrem Wohlbefinden befragt.

Eine Mutter von drei Kindern ist heutzutage äußerst selten Foto: dpa

Berlin taz | Frisch gebackene Eltern sind die glücklichsten Menschen der Welt. Sie haben auch gar keine andere Wahl, denn Verwandte und Bekannte, die kommen, um das süße Baby zu bestaunen, wollen über Schlafmangel, den Verlust sozialer Kontakte und das aussterbende Sexualleben nichts hören. Frustration nach der Geburt ist ein Tabuthema.

Eine Studie des Max-Planck-Instituts fand nun heraus, dass die Unzufriedenheit der Eltern in einigen Fällen sogar stärker ausfällt als durch Arbeitslosigkeit, Scheidung oder Tod des Partners. Die Wissenschaftler zeigen außerdem: Die Erfahrungen während und nach der ersten Geburt bestimmen, wie groß die Familie wird. Je unzufriedener die Eltern mit dem Kind sind, desto unwahrscheinlicher ist es, dass noch ein zweites dazukommt.

Besonders ältere und gebildete Menschen entschieden sich gegen weitere Kinder, wenn nach dem ersten das Wohlbefinden sank. Denn diese seien gut in der Lage, ihre Familienplanung im Fall schlechter Erfahrung noch zu ändern, mutmaßt Mikka Myrskylä, Leiter der Studie.

Die Wissenschaftler glauben, dass die sinkenden Geburtenraten in Industrieländern nicht ausschließlich – wie oft suggeriert – mit der Zahl der Menschen erklärbar sind, die keine Kinder möchten, sondern mit der steigenden Zahl von Familien, die sich nach der ersten Schwangerschaft gegen weitere entscheiden. Über 30 Prozent der heute Mitte 40-jährigen Mütter in Deutschland haben nur ein Kind; das sei laut Studie ein vergleichsweise hoher Wert.

Angst als Rabeneltern dazustehen

„Dass in Deutschland die Geburtenrate so niedrig ist, hängt auch mit familienpolitischen Maßnahmen zusammen“, so Myrskylä. Wie die Betreuung von Kindern und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie geregelt sei, habe Einfluss auf das individuelle Glück.

Viele interessante Fragen klärt die Studie nicht: Warum die Eltern überhaupt unglücklich sind zum Beispiel. „Es gibt da einige kleine qualitative Studien“, so Myrskylä. Dort würden oft Schlafmangel, Probleme mit dem Partner und die schlechte Vereinbarkeit mit dem Beruf als Gründe genannt.

Dass solche Fragen höchstens flüsternd zwischen befreundeten Eltern besprochen werden, liegt auch daran, dass Mütter und Väter, die negative Gefühle mit ihrem Kind verbinden, noch immer als Rabeneltern verurteilt werden. So bekam auch die israelische Wissenschaftlerin Orna Donath auf ihre Studie über unglückliche Mütter in den sozialen Netzwerken harsches Feedback. 23 israelische Frauen hatte sie interviewt, die das Muttersein nicht als größte Erfüllung empfinden, sondern im Nachhinein lieber darauf verzichtet hätten. Eine 38-jährige Mutter dreier Kinder beispielsweise erzählte, sie würde auf ihre Kinder verzichten, „ohne mit der Wimper zu zucken“.

Unter #regrettingmotherhood wurde die Studie unter anderem als „Meilenstein auf dem Weg zur ideologischen Zerstörung der Familie“ betitelt. Die Entscheidung gegen Kinder sei in Deutschland stärker gesellschaftlich akzeptiert, sagte die Soziologin. Aber über Reue zu sprechen, wenn man bereits Kinder bekommen hat, sei offenbar ein sehr empfindlicher Punkt.

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9 Kommentare

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  • @Mowgli:

     

    "Man muss Abstriche machen von der 'Selbstverwirklichung', die als oberste Bildungsbürgerpflicht gilt, und die doch nur die staatlich geförderte Abrichtung zum perfekten Konsumenten ist. .."

     

    Welch brillantes Fazit.

     

    Als Nächstes erleben wir aktuell, dass Krankenkassen den JüngerInnen des Massenindividualismus` Zuschüsse für smartwatches auslobt. Ein krankes System braucht halt gesunde Konsumenten.

  • Ich hatte nicht von einem expotentialen Anstieg der Bevölkerung gesprochen (weder hier noch weltweit). Ich wollte andeuten, dass auch hier Bevölkerungspolitik statt findet und dass WTO und WHO Ziele zur Begrenzung der Weltbevölkerung vereinbart haben.

    Es ist ja eigentlich recht symphatisch, dass Mädchenbildungsprogramme die Hauptprogramme zur Vermeidung von (realer oder fiktiver) Überbevölkerung sind (und nicht wie zu Malthus Zeiten der Kampf gegen Arme) und nicht zu drastischeren Mitteln (wie Kriegen - Ausnahme: Kriege die für Mädchenschulen geführt werden) gegriffen wird. Was vermutlich nicht humanitären Überlegungen geschuldet ist, als viel mehr der Erkenntnis dass Elend und hohe Säuglingssterblichkeit weit mehr zu Bevökerungswachstum führen als Reichtum, Bildung und Konkurrenz um weibliche Arbeitsplätze.

     

    Was aber geschehen ist, vor allem im deutschen feministischen Diskurs, ist dass heute Mutterschaft als eine Art Knechtschaft verstanden wird von der die Frau möglichst schnell befreit werden muß. Mutterschaft ist oft ein Synonym für grenzdebiles Gluckentum.

     

    Dass die Forderung nach staatlicher Kinderfürsorge sich schon längst sich als das erfolgreichste Kindervermeidungsprogramm entwickelt hat, entgegen aller politischer Absichtserklärungen, liegt am (hier spiele ich ausnahmsweise die nationale Karte) überkorrekten politischen Pflichterfüllungswille der deutschen Frauen (in den 50er Jahren die perfekte Hausfrau - heute die perfekte berufstätige Nebenbeimutter).

     

    Was hier fehlt ist das Vertrauen in das Selbstsein - das wie Sie selbst sagen nie perfekt ist. Sie haben völlig recht, wenn Sie sagen, wir haben Emanzipation mit Konsumismus verwechselt. In dem Punkt aber dass es hier um ein Versuch der Selbsverwirklichung geht, widerspreche ich Ihnen. Es geht viel eher um Selbstbestätigung und das beengende Gefühl festgelegt zu sein und da draußen im "vermeintlichen wirklichen Leben" abgemeldet zu sein.

  • Warum Eltern überhaupt unglücklich sind? Ich denke, das ist keine all zu schwere Denkaufgabe. Vor allem nicht für jemanden wie mich, der sich nur selbst befragen braucht. Sie leiden unter ihrer Unfreiheit. Mit Kind ist man nicht so "perfekt" im Sinn der einen, reinen Lehre. Man muss Abstriche machen von der "Selbstverwirklichung", die als oberste Bildungsbürgerpflicht gilt, und die doch nur die staatlich geförderte Abrichtung zum perfekten Konsumenten ist.

     

    Bürgerkinder sollen heute, bevor sie auch nur 40 Jahre zählen, unter anderem auf dem Arbeitsmarkt, auf dem Bildungsmarkt, auf dem Reisemarkt, auf dem Wellness- und dem Fitnessmarkt sowie auf dem Kunstmarkt bester Kunde werden. Mit Kindern ist das nicht so leicht. Weil es jedoch ganz offiziell gar keine Ideologie gibt, braucht man sie und sich auch nicht zu hinterfragen. Und wehren braucht man sich schon gar nicht gegen sie. Es muss ein Sündenbock den Gärtnerjob erledigen. Und hier kommt nun das arme Kind ins Spiel.

     

    Man sagt ihm nach, dass es ein Horror ist. Wobei man das angeblich ja nicht sagen darf. Außer im Feuilleton natürlich. Oder in vielen angeblich lustigen Büchern. Da liest man dann von Schlafmangel, von Sex-Problemen und Unvereinbarkeit von Kindern und Beruf – und ist ganz plötzlich sicher, dass das DIE Erklärung ist. Man selber macht nicht wirklich etwas falsch. Es liegt am Kind. Das Kind ist das Problem.

     

    Zum Glück für uns sind wir ja wenigstens Exportweltmeister. Wir müssen das, was wir so fleißig produzieren, nicht selber konsumieren. Nur bei der Kuhmilch wird es derzeit zum Problem, das wir so wenig Kinder haben, die eine Schulmilch trinken wollen. Die Trockenmilch verkaufen wir an die Chinesen. Die kaufen nämlich nicht zuhause ein. Weil ihre Wirtschaft sich nicht schämt, die teuren Einzelkinder zu vergiften, wenn dabei ihre Kasse klingelt.

  • Der Rückgang der Geburtenzahlen verläuft ja nicht immer gleich... er wird auch wieder stagnieren und - spätestens nach der nächsten WM - wieder steigen :-)

    • @Ursula Devilla:

      Demografen haben schon vor 5 Jahren stark anziehende Geburtsjahrgänge prognostiziert. Der Babyboom der Babyboomerkinder aber fällt anscheinend total aus. Da hilft auch keine WM mehr.

      Das Alter der Erstgebärenden steigt, kindereiche Familien sind margalisiert, unsichere Beschäftigungsverhältnisse und niedrigere Löhne bei steigenden Kosten tun ein Übriges.

       

      Ich denke zufrieden zu sein ist eine charakterliche Eigenschaft, die sich ganz besonders durch Unabhängigkeit von gesellschaftlichen Zuschreibungen ausdrückt.

      Wer sich nicht durch Reichtum und Besitz oder von anderen zugeschriebene berufliche Anerkennung definiert, ist nicht wirklich beeinflussbar und bekommt so viele Kinder wie er/sie will und macht was er/sie wichtig findet und wird vielleicht glücklich.

      Wer sich sehr stark über beruflichen Erfolg definiert (und das tut die weibliche Bildungsbürgerschicht) und auf ständige positive Rückmeldung anderer angewiesen ist, wird sich in eine potenziell Kinder und Mütterfeindlichen Umwelt unglücklich wiederfinden, ganz egal wie liebenswert und süß die eigenen Kinder und wie priviligiert die Verhältnisse sind.

      Kein weiterer Ausbau von Kinderbetreuung wird diese fortschreitende Entfremdung der unglücklichen Eltern aufhalten. Ganz im Gegenteil.

       

      Ob dieser Bevölkerungsrückgang gut oder schlecht ist, darüber streiten sich die Geister.

      Global und galaktisch gesehen - ja.

      Regional und zeitlich gesehen, kann es zu einer soziale Katastrophe führen (wie jedes Ungleichgewicht)

      Persönlich gesehen - ist es eine Beleidigung "jeden nicht geborenen Menschen als Gewinn für die Umwelt zu sehen" für alle geborenen Kinder dieser Welt.

      Und hier beginnt der unschöne Teil einer jeden Bevölkerungspolitik, welche leicht Malthusitistische Züge annimmt.

      • @Seifenblase:

        Wenn schon, dann sind die "Züge" malthusianische, keine "Malthusitistische[n]". Man kann ja über Google denken was man will. In derartigen Fällen kommt seine Großzügigkeit im Umgang mit unbeabsichtigten Fehlern kluger Leuten solchen ungebildeten Personen wie mir durchaus zugute.

         

        Nun ja. Den exponentiellen Anstieg der Bevölkerungszahl, den Sie offenbar als "unschöne[n] Teil einer jeden Bevölkerungspolitik" ansehen, kann ich gerade nicht so gut erkennen. Durchschnittliche 1,irgendwelche Kinder pro Familie sind nicht einmal linear. Selbst dann also, wenn die Nahrungsmittelproduktion nur noch linear (oder gar nicht mehr) wachsen würde, müsste die Katastrophe ausbleiben, die Thomas Robert Malthus im 19. Jahrhundert prophezeit und als "Bevölkerungsfalle" bezeichnet hat.

         

        Malthus hat, hab ich gelesen, empfohlen, das Bevölkerungswachstum durch Enthaltsamkeit und späte Heirat einzuschränken. Das mit der späten Heirat haben die Deutschen mittlerweile hinbekommen. An der Enthaltsamkeit arbeiten sie noch. Die getätigten Bildungsinvestitionen zahlen sich inzwischen offensichtlich ebenfalls aus. Man weiß im allgemeinen, wie das Kinderkriegen funktioniert – und lässt es lieber bleiben. Verhütung und Abtreibung soll Malthus zwar abgelehnt haben, das ist den Deutschen aber offenbar egal. Mit dem Wort Sünde wissen sie allenfalls noch im Zusammenhang mit ihrem ökologischen Fußabdruck was anzufangen.

         

        Sieht ganz so aus, als hätten die Deutschen Malthus‘ Ideen um- bzw. durchgesetzt, ohne den Mann auch nur zu kennen. Man müsste schon Verschwörungstheoretiker sein um anzunehmen, dass die herrschende Ideologie mehr will als nur wachsende Gewinne. Muss sie aber auch nicht. Wer braucht schon intellektuelle Führer, wenn er ganz frei entscheiden kann?

  • Wo ist das Problem, wir steuern auf 11 Milliarden Menschen zu, drohen an all den damit verbundenen Problemen zu scheitern. Man sollte es begrüßen wenn endlich mal die Bevölkerung schrumpft und nicht immer die Angst vor dem wirklich bedauerlichen Aussterben der Deutschen befeuern.

    • @Opossum:

      Momentan sind wir bei ca. 7,5 Mrd. Immer noch viel, aber kein Zusteuern auf 11 Milliarden. Oder zugleich auch ein Zusteuern auf 12, 13, 14, 20 Milliarden.

      Die Kapazität unseres Planeten ist noch lange nicht ausgeschöpft, was die reine Bevölkerungszahl der Erde betrifft. Umwelt- und Versorgungsprobleme entstehen aus durchdrehenden Profitmaximierungsstrukturen und feiger/systemisch korrupter Politik.

    • @Opossum:

      Exakt. Besonders in den sogenannten Industrieländern, in denen der jährlich angerichtete pro-Kopf-Umweltschaden am größten ist, ist jeder nicht geborene Mensch ein Gewinn für die Umwelt.