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kommentar von Rudolf Balmer über die französischen BauernDie Frage der Stunde

Worum kämpfen die französischen Bauern mit ihren Blockaden an der deutschen Grenze? Es geht um viel mehr als Standesinteressen Es geht um die Konkurrenz.

Stehen sich also letztlich französische und deutsche Bauern als Feinde gegenüber, wenn im Elsass bei wilden „Grenzkontrollen“ Lkws mit deutschen Landwirtschaftsprodukten von wütenden französischen Landwirten zur Umkehr gezwungen werden? Die Sache ist komplizierter.

Die französischen Züchter, Milch- und Gemüseproduzenten führen einen verzweifelten Existenzkampf nicht gegen die deutschen Kollegen, sondern gegen eine wachsende Diskrepanz im Wettbewerb. In diesem Preiskrieg, der hinter den Einkaufsregalen der Supermärkte tobt, kämpfen nicht alle mit gleich langen Spießen. Die Produktionskosten driften auseinander, die Konkurrenz aber verschärft sich – nicht nur wegen des Russland-Embargos der EU und verringerter chinesischer Importe aus Europa. Frankreichs Sozialmodell wird zu einem Handicap, weil das Arbeitsrecht mit Mindestlohn und Sozialleistungen für alle Beschäftigten gilt und schwer als Kostenfaktor ins Gewicht fällt.

Die Beschäftigung von polnischen ArbeiterInnen in der Landwirtschaft oder in der verarbeitenden Indus­trie dagegen ist (nicht nur) aus französischer Perspektive ein Exempel für Lohn- und Sozialdumping.

Heute geht es für Zehntausende von Landwirten in Frankreich um ihre Existenz. Die EU und ihre Bürger müssen wählen, es ist die Frage der Stunde: Entweder müssen sich alle dem Liberalisierungsdruck beugen und das Sozialniveau gegen unten anpassen. Oder aber die sozialen Errungenschaften werden gemeinsam verteidigt. In diesem Sinne sollte man die Bewegung der französischen Bauern trotz der hässlichen nationalistischen Aspekte nicht vorschnell als egoistische Verteidigung von Standesinteressen diskreditieren.

Wirtschaft + Umwelt

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