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PKK steht im Fokus der Angriffe

TÜRKEI Nach den Bombardements im Nordirak und den Massenfestnahmen zeigt sich, dass Militär und Sicherheitskräfte vor allem die kurdische Arbeiterpartei attackieren

Aus Istanbul JÜRGEN GOTTSCHLICH

Trotz massiver Kritik hat die türkische Luftwaffe am Montag ihre Angriffe auf Stellungen der kurdischen Arbeiterpartei PKK intensiviert. Am frühen Morgen flog sie ihre seit Samstag dritte Angriffswelle auf Ziele im Nord­irak. Auch bei den seit vergangener Woche durchgeführten Razzien gegen Angehörige oder Sympathisanten „bewaffneter Gruppen“, wie es offiziell heißt, werden überwiegend vermeintliche oder tatsächliche PKK-Mitglieder festgenommen. Unter den rund 900 bislang vorläufig festgenommenen Personen sollen sich lediglich 150 vermutete Anhänger des IS befinden.

Während sich die türkische Regierung über das Ziel der Militäroperation bislang ausschweigt, sagte ein Mitarbeiter des türkischen Außenministers gegenüber ausländischen Korrespondenten, die Ziele, die im Nordirak angegriffen würden, seien nicht zufällig ausgewählt. Es gehe darum, diejenigen hochrangigen Funktionäre der PKK zu treffen, die die Befehle für die Anschläge in der Türkei geben würden. Außerdem würden PKK-Waffenlager bombardiert, die sich nahe der Grenze befänden.

Nachdem am Montag ein Sprecher der syrischen Kurden einen Angriff auf ein kurdisches Dorf in Syrien bekannt gab, das von türkischer Seite aus beschossen worden sei, bestritt die türkische Regierung, dass auch die syrischen Kurden Ziel der Angriffe seien. In einem Interview mit der Tageszeitung Hürriyet sagte Ministerpräsident Ahmet Davutoğlu, die Kurden in Syrien hätten dort ihren festen Platz, wenn sie ihre Kontakte zum Assad-Regime vollständig abbrechen und mit der syrischen Opposition zusammenarbeiten würden. Die syrischen Kurden sind zurzeit die wichtigsten Verbündeten der USA im Kampf gegen den IS.

Auf die Frage, was die USA dazu sagen würden, dass die Türkei durch ihre Angriffe auf die PKK, den wichtigsten Verbündeten der syrischen Kurden, den Kampf gegen den IS schwächen würde, ging Davutoğlu nicht ein. Ein Sprecher des Außenministeriums sagte dazu, auch die USA hätten die PKK als Terrororganisation gelistet und respektierten die „Selbstverteidigungsanstrengungen“ der Türkei gegen die PKK.

Ein politisches Opfer der neuen Welle der Gewalt ist die kurdisch-linke HDP

Während viele Türken die Angriffe auf die PKK begrüßen oder stillschweigend gutheißen, sind die meisten Kurden darüber empört, dass Präsident Recep Tayyip Erdoğan und Davutoğlu mit dem Befehl zu den Luftangriffen den seit zwei Jahren andauernden Friedens­dia­log mit der PKK de facto beendet haben. Am Wochenende kam es deshalb zu teils massiven Zusammenstößen zwischen protestierenden Kurden und der Polizei. Am heftigsten waren die ­Auseinandersetzungen im Istanbuler Außenbezirk Gaziosmanpaşa, wo viele Kurden leben.

Ein Opfer der Gewalt ist die kurdische-linke HDP, die bei den Wahlen am 7. Juni erstmals mit 13 Prozent ins Parlament in Ankara eingerückt war und von dort aus den Friedensprozess vorantreiben wollte. In einer ­ersten Stellungnahme seit Beginn der Luftangriffe sagte der Kovorsitzende der HDP, Sela­hattin Demirtaş, diese Politik diene nicht dem Staat und den türkischen Bürgern, sondern sei allein eine Politik „des Palastes“, also von Erdoğan. Dieser wolle Neuwahlen im Herbst erreichen, bei denen dann die HDP wieder unter 10 Prozent gedrückt und damit aus dem Parlament ­herausgedrängt werden soll.

Am heutigen Dienstag wollen die Nato-Botschafter auf Antrag der Türkei über den Konflikt beraten. Auf die Idee von einer Pufferzone an der syrischen Grenze, wie sie die Türkei ins Spiel gebracht hatte, reagierte die Bundesregierung in Berlin vorab mit Skepsis: „Die besten Erfolgsaussichten haben Lösungen, die auch von den Akteuren vor Ort getragen werden“, sagte eine Sprecherin des Außenministeriums.

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