: Das Land klagt doch noch gegen die Volkszählung
Finanzen 1,6 Milliarden Euro weniger hat Berlin wegen des Zensus aus dem Jahr 2011 erhalten
Der Senat greift den Zensus 2011 vor dem Bundesverfassungsgericht an. Der Schriftsatz sei am Vortag nach Karlsruhe abgesandt worden, teilte die Innenverwaltung am Donnerstag mit. Der rot-schwarze Senat wehre sich damit gegen das aus seiner Sicht „verfassungswidrige Gesetz, das auch erhebliche finanzielle Folgen hat“, erklärte Innensenator Frank Henkel (CDU). Die Ergebnisse der Volkszählung von 2011 hätten zu teils gravierenden statistischen Korrekturen der Einwohnerzahlen in Ländern und Städten geführt.
Nach den im Mai 2013 veröffentlichten Zahlen des Zensus 2011 leben in Deutschland weitaus weniger Menschen als vermutet. Statt der bislang angenommenen Zahl von knapp 81,8 Millionen hat die Bundesrepublik demnach nur rund 80,2 Millionen Einwohner.
180.000 Berliner weniger
Für Berlin wurde die Einwohnerzahl um etwa 180.000 Einwohner nach unten auf 3,3 Millionen korrigiert. Das hat das Land von 2011 bis 30. Juni 2015 bisher 1,6 Milliarden Euro an Mindereinnahmen im Länderfinanzausgleich gekostet, wie die Finanzverwaltung kürzlich mitgeteilt hat. Inzwischen ist Berlins Einwohnerzahl durch stetigen Zuzug auf 3,5 Millionen gestiegen. „Der Senat hat erhebliche Zweifel sowohl an der Richtigkeit der im Zensus 2011 festgestellten amtlichen Bevölkerungszahl als auch darüber, ob diese Feststellung überhaupt auf einer verfassungsgemäßen Rechtsgrundlage beruht“, hieß es. Das Bundesverfassungsgericht solle in dem angestrengten Normenkontrollverfahren die Verfassungsmäßigkeit grundsätzlich klären.
Das werde auch den vielen Kommunen und Städten in Deutschland nützen, die ebenfalls gegen den Zensus 2011 geklagt haben oder klagen wollen, erklärt der Senat. Denn im Gegensatz zu Städten dürfe ein Bundesland „die Verfassungswidrigkeit eines Bundesgesetzes vor dem Bundesverfassungsgericht“ überprüfen lassen.
Berlin zweifelt vor allem die Erhebungsmethode an. Erstmals sei beim Zensus 2011 eine mathematische Methode angewandt worden, die die Auswertung der Melderegister mit einer Hochrechnung von Stichproben kombiniere, rügte der Senat.
Die Stichproben seien nur in größeren Städten erhoben worden. Dagegen sei die Einwohnerzahl der kleineren Städte ausschließlich auf der Grundlage ihrer Melderegister bestimmt worden. Das mathematische Stichprobenverfahren sei nicht gerichtlich überprüfbar. (dpa)
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