Deutungshoheit teilen

MUSEEN DAHLEM Auch auf der letzten Probebühne des Humboldt-Lab verlassen Kuratoren und Künstler ausgetretene Wege. „Korea ausstellen“ zeigt Ideen, Konzepte und Methoden für die Zeit nach dem Umzug

Was ist Artefakt der Kultur Koreas und was neues Kunstobjekt? Das verraten in dieser Vitrine von Meekyoung SHIN nur die Beschriftungen Foto: F.: Uwe Walter

von Katrin Bettina Müller

Das wirkt ganz schön kühn, was sich Meekyoung SHIN und Inhwan OH für die zukünftige Präsentation der koreanischen Kultur im Humboldtforum ausgedacht haben. In Dahlem, am alten Standort des Asiatischen Museums, stellen die beiden zusammen mit drei weiteren KünstlerInnen aus Korea jetzt vor, wie die zahlenmäßig kleine Abteilung koreanischer Objekte am neuen Standort in Berlin- Mitte inszeniert werden könnte.

Dass die kulturellen Artefakte, einmal zum Objekt musealer Bewahrung geworden, ewig zu bestehen scheinen, daran kratzt Meekyoung SHIN. Mit Skulpturen aus Seife, die in den Oberflächen, den Farben und den Formen den Gefäßen, die zum historischen Bestand des Museums gehören, sehr ähnlich sind, greift sie in die Präsentation ein und stellt in den Vitrinen Original neben Kopie, Artefakt neben Zitat, Beständiges neben etwas, das allein das Wasser auflösen könnte.

Die in London lebende Künstlerin arbeitet seit ihrem Umzug von Asien nach Europa an Konzepten der „Translation“ und geht den Veränderungen nach, die durch die Verschiebung in einen anderen Kontext entstehen. Ihre Skulpturen könnten sich potenziell wieder auflösen, verschwinden; und damit stellen sie an die musealen Objekte möglicherweise auch die Frage, wie viel von ihrem Wesen denn erhalten bleibt, wenn sie isoliert und aus ihrem Kontext herausgelöst betrachtet werden.

Inhwan OH, der in Korea lebt und dort dieses Jahr für den Korea Artist Prize nominiert wurde, knüpft sein Konzept „Passagen“ an die gemalten Landschaften des Geumgang-Gebirges auf einem Stellschirm an, die immer von aufsteigenden Wegen durchzogen sind. Er dachte an die Reisen, die die alten Kunstwerke selbst durch Zeit und Raum zurücklegt haben, und fragte sich, wie das für den Museumsbesucher erlebbar werden kann. Zu seinem Projekt gehören ein Audioguide, der als Reiseführer durch die gemalten Landschaften dient, und eine Reihe von Performances, die die Reisen in den Bildern und die Bilder selbst interpretieren.

Kühn sind die Konzepte der beiden, weil sie die Deutungs­hoheit über den musealen Bestand nicht den Historikern und Archivaren überlassen. Die Kuratorin Uta Rahmann-Steinert, die die zeitgenössischen Künstler ans Museum geholt hat, setzt damit auch auf eine andere Wachheit gegenüber den Objekten und neu angefachte Sensibilisierung gegenüber ihrer Ästhetik.

„Korea ausstellen“ ist Teil der Probebühne 7, auf der in den Dahlemer Museen Ideen, Konzepte und Methoden ausprobiert werden für den Umzug des Museums für Asiatische Kunst und des Ethnologischen Museums in das Humboldt­forum. Dass dort Korea eines von 28 geplanten Ausstellungs-Modulen sein wird, steht fest. Andere Elemente der Probebühne gelten mehr methodischen Fragen, etwa nach der Einbeziehung von Wissenschaftlern aus den Herkunftsländern oder der Installation von Plattformen, um das in den musealen Sammlungen materialisierte Wissen zu teilen.

Dazu gehört auch das Projekt „(K)ein Platz an der Sonne“, in dem ein Team von Vermittler- und WissenschaftlerInnen Instrumente entwickelt hat, um die Bedeutung der Kolonialzeit für unsere Gegenwart und für das Ethnologische Museum mit Besuchern zu thematisieren, vor allem mit jungen Leuten. Der Titel geht auf ein Zitat eines deutschen Politikers von 1897 zurück, der sich für die Ein­richtung deutscher „Schutzgebiete“ in Afrika starkmachte: „Wir wollen niemand in den Schatten stellen, aber wir verlangen auch unseren Platz an der Sonne.“ Da geht es in einzelnen Formaten um die deutschen Kolonien in Afrika, den Völkermord in Namibia, aber auch um Rassismus und Stereotype im Alltag heute.

Andere Elemente der Probebühne gelten mehr methodischen Fragen

Ein Format, „Decolonize! De-kolonisiere!“ kritisiert die Straßennamen, die wie „Lüderitzstraße“ nach den Protagonisten des Kolonialismus benannt sind. Das Format ist eine Aufforderung, alle Spuren, die „diese Zeitepoche verherrlichen, aus sämtlichen Lebensbereichen“ zu entfernen.

Aber ist das Säubern des Stadtplans von den Spuren des Kolonialismus nicht auch eine merkwürdige und zwiespältige Strategie? Hat sie nicht auch etwas davon, die bösen Kapitel der Geschichte zu verdrängen, statt sie zu thematisieren? Kommt es nicht eher darauf an, transparent zu machen, wann diese Vergangenheit gefeiert wurde? Im September werden die Formate von „(K)ein Platz an der Sonne“ Grundlage für Workshops mit Schülern sein.

Die Probebühnen des Humboldt-Lab sind ein geschützter Raum, auch um rigorose Denkansätze auszuprobieren. Das kann, wie es Agnes Wegener, Geschäftsführerin des Humboldt-Lab, sieht, auch befreiend sein. Die Museen erfahren konkreter, welche Vorbehalte teils junge Berliner, unterwegs im postkolonialen Diskurs, gegen ihre Sammlungen haben.

Die jetzige Probebühne ist die letzte Testphase, die das Ethnologische Museum und das Museum für Asiatische Kunst in Dahlem präsentiert haben. Die Ausstellung „Prinzip Labor“ gibt einen Rückblick auf die bisherigen Stationen und das Nachdenken über das Ausstellen.

Probebühne 7 und Prinzip Labor in den Museen in Dahlem, Di.–Fr. 10–17 Uhr, Sa. + So. 10– 18 Uhr; bis 18. Oktober