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Neun Todesurteile in Tripolis

LIBYEN Gaddafis Sohn Seif al-Islam wird zusammen mit acht weiteren Beschuldigten zur Höchststrafe verurteilt. Das Verfahren ist in dem gespaltenen Land umstritten

Seif al-Islam al-Gaddafi in besseren Zeiten Foto: Chris Helgren/reuters

Von MIRCO KEILBERTH

TUNIS taz | Ein Gericht in der libyschen Hauptstadt Tripolis hat Seif al-Islam, einen Sohn des ehemaligen Machthabers Muammar al-Gaddafi, zum Tode verurteilt. Auch der ehemalige Geheimdienstschef Abdallah Senoussi und Expremierminister Baghdadi al-Mahmoudi ­erhielten die Höchststrafe.

Wie sechs weitere Vertreter des alten Regimes soll das Trio wegen Kriegsverbrechen während des Volksaufstandes im Jahr 2011 vor ein Erschießungskommando gestellt werden. Dreißig Angeklagte müssen lange Haftstrafen wegen Korruption verbüßen. In allen Verfahren ist eine Berufung möglich.

Der 38-jährige Seif al-Islam wurde lange als Nachfolger seines Vaters gehandelt. Senoussi arbeitete vor der Revolution eng mit westlichen Geheimdiensten im Kampf gegen religiöse Extremisten zusammen.

Der Massenprozess begann im April 2014. Das Verfahren wurde von Menschenrechtsorganisationen wie Human Rights Watch scharf kritisiert, da die Angeklagten meist nur kurz in einem vergitterten Teil des Verhandlungsaals vorgeführt wurden und nach internationalem Standard verwertbare Beweise im Dunkeln blieben. Oft nur mündlich weitergegebene Befehle stellten die größte Herausforderung für die Ankläger dar.

Seif al-Islam, der in Abwesenheit verurteilt wurde, muss im Gegensatz zu den anderen Verurteilten vermutlich nicht mit der Vollstreckung seiner Strafe rechnen. Er wird in wechselnden Verstecken nahe der Kleinstadt Zintan 200 Kilometer südlich von Tripolis festgehalten.

Die Zintanis sind mit der nach Ostlibyen geflohenen Regierung in Beida verbündet, während Tripolis fest in der Hand der Milizenallianz Fajr Libya ist, die mit religiösen Extremisten in Bengasi paktiert. Al-Mabrouk Ghraira Omran von der ­Regierung in Beida rief die internationale Gemeinschaft auf, das Urteil nicht anzuerkennen. Die Richter würden in ständiger Angst vor ihrer Entführung und Ermordung durch Milizionäre arbeiten.

Seif al-Islam war 2012 in der libyschen Sahara von Revolutionären entdeckt worden, als er sich in den Niger absetzen wollte. In kurzen Videoschaltungen aus dem Zintaner Gericht hielt er immer wieder seine verbundene rechte Hand hoch, von der die Revolutionäre ihm drei Finger amputiert hatten. Mit ihnen hatte er den Libyern 2011 im staatlichen Fernsehen den Verlust von Strom, Wasser und Öl als Preis für den Aufstand prophezeit.

Um den Prozess hatte es Streit mit dem Strafgerichtshof in Den Haag gegeben

Um den Prozess hatte es auch eine Kontroverse mit dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag (IStGH) gegeben. Dieser warf der libyschen Justiz anfangs Rachejustiz vor und ­forderte die Behörden auf, Abdallah Senoussi und Seif al-Islam al-Gaddafi auszuliefern.

Der aufständische Übergangsrat unter Mustafa Abdeljalil hatte die Richter in Den Haag im Frühjahr 2011 zu einer Untersuchung der Verbrechen des ­Regimes aufgerufen, wohl auch, um dem Militäreinsatz ­gegen Gaddafi neben der UN-Resolution 1973 eine moralische Legitimität zu geben.

Doch die neuen Machthaber ­Libyens weigerten sich, die ­Angeklagten auszuliefern. ­Inzwischen bezeichnet Chef- Ermittlerin Fatou Bensouda das Verfahren als fair, verlangt aber weiterhin die Überstellung der Angeklagten in die Niederlande.

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