Lange Beine, glänzendes Haar, pralles Dekolleté? Alles von gestern. Die neuen weiblichen Schönheitsideale sind die Oberschenkellücke und die Bikini Bridge. Jedenfalls auf Facebook, Weibo, Instagram und Co. Teenager übertrumpfen sich in Selfie-Wettbewerben im Netz und verzerren das Körperbild in die anatomische Absurdität
: Die neuen Problemzonen

Vénus de Médicis. Die Göttin der Schönheit als römische Marmorskulptur Foto: AKG

Von Kim von Ciriacy UND
Christina zur Nedden

#collarbonechallenge
: Schlüsselbein

Der Hype:Wer kann die längste Reihe von Münzen aufrecht auf seinem Schlüsselbein balancieren? Klingt, als hätte jemand extreme Langeweile, ist aber der neueste Schlankheits-Indikator aus dem Netz. Je mehr Münzen in die Einbuchtung passen, desto dünner und attraktiver, so das Internet.

Daher kommt’s:Die chinesische Schauspielerin Lv Jiarong postete ein Foto auf Weibo, auf dem sie 80 Münzen auf ihren beiden Schlüsselbeinen aufreihte und es dabei noch schaffte, ein Selfie zu machen. Man weiß nicht, was beeindruckender ist.

Kritik:Es sieht einfach doof aus, und wenn es nicht klappt, muss man das Kleingeld mühsam vom Boden aufsammeln. Die Schlüsselbeine der Internetbesucher balancieren bereits Bananen, Eier, Vibratoren und vor allem Schokoriegel.

Realistisch gesehen:Ja, wer so eine ruhige Schulter hat, kann vielleicht im Zirkus auftreten; wie fit, gesund oder sexy er oder sie ist, bleibt allerdings zweifelhaft.

#bikinibridge
: Hüftknochen

Der Hype: Die Bikini Bridge entsteht, wenn jemand so dünn ist, dass die Hüftknochen hervorstehen. Trägt man ein Bikini-Unterteil, entsteht im Liegen eine Spalte zwischen Bikini und Bauch. Die Bikinihose bildet die Bikini Bridge zwischen den Hüftknochen.

Daher kommt‘s: Die Bildplattform 4chan erfand den Hype, um nach dem Erfolg von #thighgap zu zeigen, wie schnell sich Magertrends verbreiten. Mit Erfolg: Topmodel-Mama Heidi Klum macht begeistert mit.

Kritik: Was als provokativer Witz gedacht war, entwickelte sich tatsächlich zu einem unerquicklichen neuen Schönheitswahn.

Realistisch gesehen: Wer genug hungert oder krampfhaft den Bauch einzieht, hat Chancen auf das perfekte Bikini-Bridge-Foto. Eis essen am Strand macht aber mehr Spaß.

#nomakeup & #wokeuplikethis
: Gesicht

Der Hype: Beauty-Bloggerinnen und Stars posten Selfies ihres Gesichts — ungeschminkt oder gleich nach dem Aufwachen. Solche Bilder sollen natürliche Schönheit demonstrieren.

Daher kommt’s: Beyonce hat #wokeuplikethis gestartet und alle haben’s nachgemacht. US-Au­torin Laura Lippman postete das erste #nomakeup Foto, um Schauspielerin Kim Novak zu unterstützen. Zuschauer hatten bei der Oscar-Verleihung entsetzt auf Novaks von Schönheits-OPs gezeichnetes alterndes Gesicht reagiert. Unter dem Hashtag wurde auch Geld für Krebsbekämpfung in England gesammelt. Der Zusammenhang mit Make-up bleibt unklar.

Kritik: Vermeintlich ungeschminkte Stars sehen trotzdem so aus, als kämen sie gerade frisch aus der Maske. Reality-TV Star Kim Kardashian veröffentlichte unter dem Hashtag #wokeuplikethis ein Foto mit perfekt sitzendem Eyeliner. Eines der wenigen realistischen Aufwach-Fotos kommt von Regisseurin und Feministin Lena Dunham. Darauf sieht man sie mit verschmierten Augen, roten Wangen und wild abstehenden Haaren. Beauty-Bloggerin Em Ford postete kürzlich ein Video, in dem sie sich abschminkt. Anders als Beyonce & Co leidet sie allerdings unter starker Akne. Das Internet reagierte mit Hass und Beschimpfungen, einigen machte der ehrliche Clip Mut.

Realistisch gesehen: Jeder kann ohne Make-up rumlaufen. Wie Mitmenschen darauf reagieren, sollte einem egal sein.

#bellybuttonchallenge
: Bauchnabel

Der Hype: Bellybutton Challenge – klingt doch eigentlich ganz nett. Ist es aber nicht. Frauen versuchen den Arm hinter dem Rücken entlangzustrecken und dann den Bauchnabel zu berühren. Wer das nicht schafft, ist laut dieses Tests eindeutig zu dick.

Daher kommts:aus China. Die ersten Verrenkungs-Selfies erschienen auf Weibo, der chinesischen Twitter-Variante.

Kritik: Gegenbewegung zur #bellybuttonchallenge ist die #boobsoverbellybuttons-Aktion. Gestartet wurde diese vom britischen Unterwäsche-Label Curvy Kate. Sie soll Frauen daran erinnern gegen Brustkrebs vorzusorgen, indem sie selbst regelmäßig ihre Brust abtasten. Anstatt Zeit mit der #bellybuttonchallenge und extremem Schlankheitswahn zu verschwenden, legt die Aktion Wert auf ein positives Körpergefühl und kämpft so gegen „body shaming“ an.

Realistisch gesehen: Ob die Finger den Bauchnabel berühren können, hängt nicht nur davon ab, wie dünn eine Person ist, sondern auch von Armlänge, Breite der Hüften, Flexibilität des Schultergelenks und schlichtweg der Beweglichkeit.

#thighgap
: Oberschenkellücke

Der Hype: Als Thigh Gap, auch Oberschenkel­lücke genannt, wird bei Frauen ein durchgängig auftretender Freiraum zwischen den Innenseiten der Oberschenkel bezeichnet, der auftritt, wenn sich die Knie beim Stehen berühren, sagt Wikipedia. Ja, dieser Mager-Trend hat sogar schon einen eigenen Wikipedia-Eintrag.

Daher kommt’s: Bei einer Victoria’s Secret Fashion Show im Dezember 2012 lieferten mehrere storchenbeinige Models dem Internet ausreichend „Thinspiration“, um die „Thigh gap“ zu erfinden und nach ihr zu streben. Ikone des Trends ist Supermodel Cara Delevigne, ihre Lücke hat sogar einen eigenen Twitter-Account.

Kritik: Der Wunsch einer möglichst großen Beinlücke führt oft direkt zu einer Essstörung oder im Extremfall sogar auf den OP-Tisch. Die Thigh gap-OP, bei der so viel Fett wie möglich aus den Innenschenkeln gesaugt wird, ist der neueste Schrei in L.A. Gegen diesen Wahnsinn kämpft unter anderem der amerikanische Verband gegen Esstörungen.

Realistisch gesehen: Die meisten Frauen haben keinen Freiraum zwischen den zusammenstehenden Oberschenkeln. Da hilft auch keine Null-Diät, denn ob man mit Lücke lebt oder nicht, hängt von der Größe des Beckens ab und nicht davon, wie dünn man ist. So können auch normalgewichtige Frauen mit breiterem Becken wie das Plus-Size-Model Robyn Lawley eine Thigh Gap haben. Für diese „unfaire“ Laune der Natur wurde sie allerdings von der Thigh-Gap-Fangemeinde als „fettes Schwein“ beschimpft.