: Hauptsache jüdisch
KUNSTAUSSTELLUNG Im Jüdischen Museum Rendsburg präsentieren sechs zeitgenössische KünstlerInnen unter dem Titel„Warum? Warum nicht?“ ihre Arbeiten. Die Fotografen, Videokünstler oder Maler haben wenig gemeinsam — bis auf ihren Glauben
von Esther Geißlinger
Sie schauen sich in die Augen, der Gnom mit der roten Mütze, der nackte Held aus Gips, vereint unter einer Glasglocke: Gartenzwerg und David, Kitsch und Hochkultur, Michel und Michelangelo. Für Pavel Schmidt, der Künstler, der die beiden dort in Szene gesetzt hat, sind die Figuren aus dem Gartencenter nur Rohmaterial: Der 59-Jährige ist bekannt dafür, Zwerge und Kunstrepliken zu sprengen und neu zusammenzusetzen. Die Figuren, die zurzeit in Rendsburg stehen, sind unversehrt geblieben.
„Schade eigentlich“, bedauert Carsten Fleischhauer, Leiter des Jüdischen Museums, das zum Landesmuseum Schleswig-Holstein gehört. Fleischhauer hat die Leitung des Hauses im Frühjahr übernommen. Früher war hier die Synagoge der Kleinstadt am Nord-Ostsee-Kanal untergebracht. Die Ausstellung ist seine erste – und eine Neuheit. Denn bisher würdigte das Museum neben seiner Dauersammlung über jüdisches Leben in Rendsburg und Schleswig-Holstein und der Geschichte der Synagoge während der NS-Zeit vor allem einzelne KünstlerInnen oder jüdische Persönlichkeiten frühe rer Zeiten. Nun sind es die Werke von sechs zeitgenössischen KünstlerInnen aus drei Ländern, die sich unter dem Titel „Warum? Warum nicht?“ zu einer Sammelausstellung zusammengefunden haben.
Die KünstlerInnen stammen aus unterschiedlichen Generationen und Weltgegenden: Daniel Häsli wurde 1968 in Zürich geboren, Peter Loewy 1951 in Tel Aviv. Drei der sechs – Anna Ceeh, Pavel Schmidt und Pavel Feinstein – stammen aus dem ehemaligen Ostblock und leben heute im deutschsprachigen Raum.
Gemeinsam füllen die sechs eine breite Palette künstlerischer Ausdrucksweise: Anna Ceeh zeigt Videokunst, flimmernde Bilder von Kindern, von marschierenden Soldaten, vom Krieg, von fragmentierten Buchstaben, die sich durch Verfremdung und Überblendung in grafische Zeichen verwandeln. Pavel Feinstein malt Stillleben. So streng und gegenständlich, dass Museumsleiter Fleischhauer von „altmeisterlicher Technik“ spricht. Peter Loewys Fotografien haben beinahe einen dokumentarischen Charakter. Daniel Häsli zeigt Reliefe mit religiösen Motiven. Ilana Lewitan hat Bildkästen aus Plexiglas nach Rendsburg mitgebracht, in denen wie in Puppenstuben plastische Objekte stehen. Und Pavel Schmidt stellt neben den Glasglocken mit Gnom und Held oder Held und Madonna auch eine Reihe von Grafiken aus. Was die sechs eint: Sie alle sind JüdInnen. Ist das ein gutes, ein sinnvolles Kriterium einer Sammelausstellung?
„Das war durchaus umstritten. Auch unter den Beteiligten“, sagt Fleischhauer. Alle sechs wurden im Vorfeld um ein Statement zu diesem Thema gebeten, bei einigen fiel es kurz aus: „Jude zu sein, ist allein kein abendfüllendes Programm“, sagt Peter Loewy. Und Pavel Feinstein teilt mit: „Ich weiß nicht, was jüdische Malerei ist. Ich mache einfach Malerei. Sollte meine Malerei jüdisch sein, so eben nur weil ich jüdisch bin.“
Daniel Häsli, der wie Anna Ceeh und Ilana Lewitan zur Eröffnung der Ausstellung angereist ist, nennt sich selbst weder im religiösen Sinn gesetzestreu, noch einen praktizierenden Juden. Dennoch spiele die Religionszugehörigkeit eine Rolle, genau wie viele andere Kriterien: „Ich bin männlich, weiß, habe eine nationale Identität und bin eben Jude. Kunst ganz ohne einen biografischen Hintergrund wäre langweilig.“
Dass er für die Rendsburger Ausstellung Relief-Bilder zu Kain und Abel oder Adam und Eva oder Salome zeigt, habe damit zu tun, dass er sich grundsätzlich mit der Religion beschäftige – gerade weil sie in Deutschland oder der Schweiz kaum mehr eine Rolle spiele. „Wenn jemand sagt, er gehe in die Kirche oder Synagoge, scheint das befremdlicher als das Bekenntnis, einen Psychiater aufzusuchen“, sagt Häsli. Gegen dieses fast schamhafte Schweigen stehe die Überbetonung der Religion in anderen Gegenden der Welt. Er selbst gehe spielerisch an das Thema heran, sagt er. Das gilt auch für die übrigen KünstlerInnen: „We love Jews and Moslems“, steht auf einem der Bildkästen Lewitans – dargestellt sind Schweine, die in der jüdischen wie muslimischen Küche verpönt sind. „Bei allem, was uns trennt, gibt es doch auch vieles, was uns eint“, sagt die Künstlerin aus München.
Aber das Wissen darum, dass es um eine Ausstellung jüdischer Kunst in einem jüdischen Museum geht, verändert den Blick, sowohl den der KünstlerInnen als auch der BetrachterInnen. In einem der Bildkästchen fährt eine Modelleisenbahn durch eine leere Landschaft. „Zug und Juden – das weckt natürlich bestimmte Assoziationen“, sagt Lewitan. „Anders betrachtet, ist es vielleicht nur eine schöne Winterszene.“
Manchmal will das Jüdische gefunden werden, wie auf den Fotos von Peter Loewy: Der Künstler, der aus Tel Aviv stammt und heute in Frankfurt lebt, hat Wohnungen von jüdischen Familien in Frankfurt fotografiert. Auf jedem Bild verweist ein Detail auf das Judentum. Mal ist es ein siebenarmiger Leuchter, der zur Designerlampe passt, mal eine Trollfigur mit Kippa und Gebetsschal.
Manchmal kommt es plakativ daher wie bei Pavel Schmidt, der einen siebenstrahligen Pinsel wie den Sabbat-Leuchter ausstellt. Manchmal bleibt es unsichtbar wie in den Stillleben Feinsteins. Sehenswert ist die Schau durchaus – aber ob das Jüdische als Klammer reicht? Die Antwort gibt die Ausstellung in ihrem Titel: „Warum nicht?“.
Die Ausstellung „Warum? Warum nicht“ mit sechs zeitgenössischen jüdischen KünstlerInnen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz ist bis 6. September im Jüdischen Museum Rendsburg zu sehen
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen