30 Jahre „Rainbow Warrior“-Anschlag: Terror als Katalysator

Mit einem Anschlag auf das Greenpeace-Schiff versuchte Frankreich vor 30 Jahren die Anti-Atom-Bewegung zu stoppen. Und erreichte das Gegenteil.

Das sinkende Greenpeace-Schiff „Rainbow Warrior“ nach dem Anschlag

Rätselhafter Terrorakt: Die „Rainbow Warrior“ nach dem Anschlag 1985. Foto: John Miller/Greenpeace/dpa

AUCKLAND dpa | „Rainbow Warrior“ – Regenbogenkrieger, so tauft die Umweltorganisation Greenpeace Ende der 70er Jahre ihr Schiff, mit dem sie Einsätze gegen Umweltzerstörung fahren will. Die Inspiration stammt von den Cree-Indianern: „Wenn die Welt krank wird und stirbt, erhebt sich das Volk wie Krieger des Regenbogens...“. Aber die Mission des Schiffes endet im Hafen von Auckland in Neuseeland vor 30 Jahren abrupt und tragisch: französische Agenten versenken das Schiff, Fotograf Fernando Pereira ertrinkt.

Der französische Geheimdienst DGSE wollte den Auslauf der „Rainbow Warrior“ zu einer Protestaktion gegen Atomtests am Moruroa-Atoll im Pazifik verhindern. „Aber der Schuss ging nach hinten los“, sagt der damalige Skipper, Pete Willcox, der Deutschen Presse-Agentur. „Die Aktion hat die Gegner der Atomtests nur noch entschiedener gemacht“, sagt Neuseelands heutige Greenpeace-Chefin Bunny McDiarmid, die damals zur Crew gehörte. Eineinhalb Jahre später trat der Vertrag über die Atomfreie Zone Südpazifik in Kraft.

10. Juli 1985, im Hafen von Auckland: An Bord der „Rainbow Warrior“ wird gefeiert, in ein paar Tagen soll der neue Einsatz starten. Kurz vor Mitternacht erschüttert eine Detonation das Boot. „Ich schlief in meiner Kajüte“, sagt Willcox. Die Crew bemerkt den Wassereinbruch und flieht. Pereira (35) auch, er kehrt aber zurück, um seine Kamera zu holen. Da reißt die zweite Bombe ein Loch in den Rumpf. Das Schiff sinkt innerhalb von Minuten. Pereira ertrinkt.

„Ich dachte gleich, da ist etwas faul, aber wir hatten keine Ahnung, das die französische Regierung so eine Angst vor einem Haufen junger Leute hat, dass sie uns ermorden wollte“, sagt Willcox. Journalist David Robie war bis zu dem Abend wochenlang an Bord gewesen. Er dokumentiert die französische Verwicklung in seinem Buch „Eyes of Fire – die letzte Reise der Rainbow Warrior“ akribisch. „Ich wollte an dem Abend eigentlich meine neun und fünf Jahre alten Söhne und deren Pfadfinder-Freunde an Bord holen. Ich hatte das erst in letzter Minute abgesagt“, sagt er.

Beispielloser Terrorakt

Der Terrorakt, wie neuseeländische Politiker die Aktion nennen, ist beispiellos unter befreundeten Ländern. Jahrelang ist das Verhältnis zwischen Frankreich und Neuseeland schwer belastet. Nicht mehr: „Das liegt weit hinter uns, danke für den Anruf“, sagt eine Sprecherin der französischen Botschaft knapp am Telefon. Mit den 6,5 Millionen US-Dollar Entschädigung, die Frankreich zahlte, wurde 1991 ein Freundschaftsfonds gegründet, der etwa den Studentenaustausch fördert. „Unsere Beziehungen sind nach 30 Jahren stärker als je zuvor“, sagt eine Sprecherin des Außenministeriums.

„Wir nutzen den Jahrestag, um mutige Akte besorgter Bürger zu feiern“, sagt McDiarmid. Greenpeace Frankreich organisiert am Eiffelturm eine Konferenz. „Es geht darum, dass die Zivilgesellschaft in aller Welt unter Beschuss ist“, sagt Organisator Sylvain Trottier.

Eine Reling der versenkten „Rainbow Warrior“ ist von Pflanzen überwachsen

Die „Rainbow Warrior“ heute: ein lebendes Riff. Foto: Roger Grace/Greenpeace/dpa

„Bis heute ist rätselhaft: warum taten sie das?“ sagt Robie. „Es war völlig kontraproduktiv.“ Greenpeace bekam Zulauf wie nie zuvor, der Widerstand gegen Atomtests wuchs. „Andere Länder haben nichts daraus gelernt“, sagt Willcox. Er wurde 2013 mit seiner Crew in Russland bei einem Protest gegen Ölbohrungen in der Arktis festgesetzt und war 100 Tage in Haft. „Durch den Wirbel um unsere Haft haben Millionen Menschen erst von den verheerenden Ölbohrungen erfahren“, sagt er.

Ein lebendes Riff

Wie die anderen Crew-Mitglieder hat Willcox nach dem Trauma von Auckland nie ans Aufgeben gedacht. „Solche Aktionen werden uns nie zum Schweigen bringen“, sagt er. Willcox ist heute 62. Am Jahrestag steuert der Amerikaner die neue „Rainbow Warrior“ zu einer Protestaktion gegen Umweltverschmutzung am Great Barrier Reef in Australien. Er hat noch viel vor: „Mein Vater ist 95, der segelt seine Jolle bis heute bei Rennen in New York“, sagt er lachend.

Das Wrack der ersten „Rainbow Warrior“ wurde in der Bucht von Matauri an den Cavalli-Inseln in Neuseeland versenkt. Es ist ein lebendes Riff, mit Wasserpflanzen und Fischen. Einer der damals verurteilten Agenten, Alain Mafart, ist inzwischen Naturfotograf. Fast wäre eines seiner Fotos in diesem Jahr in einem Greenpeace-Kalender in den USA abgedruckt worden. Der Fauxpas wurde in letzter Minute entdeckt.

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