: Chipkarte für Flüchtlinge
MIGRATION Der Sozialsenator will endlich die Gesundheitskarte für Asylbewerber bis Ende des Jahres einführen. Details unklar
von Susanne Memarnia
Opposition und Flüchtlingsvertreter fordern sie seit Jahren, nun hat Sozialsenator Mario Czaja (CDU) eingelenkt: Asylbewerber in Berlin sollen eine Krankenkassenkarte bekommen, mit der sie wie gesetzlich Versicherte zum Arzt gehen können. Man wolle nicht länger auf eine bundeseinheitliche Regelung dieser Frage warten, erklärte Czaja am Dienstagnachmittag überraschend vor rund 40 Teilnehmern des runden Tischs zur Versorgung von Flüchtlingen. Der Senator hatte zum zweiten Mal Vertreter von Kirchen, Wohlfahrtsverbänden, Flüchtlingshilfe und Wirtschaftsverbänden eingeladen, um über drängende Probleme in diesem Bereich zu reden.
Gegenüber der taz erklärte eine Sprecherin von Czaja am Mittwoch, Ziel sei, die Chipkarte im Verlaufe des vierten Quartals einzuführen. Derzeit liefen Gespräche mit Krankenkassen, erst danach könne man auch den Finanzsenator einbeziehen. Angesichts dieser Unwägbarkeiten zeigten sich Teilnehmer des runden Tischs gegenüber der taz skeptisch. So sagte Georg Classen vom Flüchtlingsrat: „Das muss so schnell wie möglich umgesetzt werden. Es wurde lange genug verschleppt.“ Auch Fabio Reinhardt, flüchtlingspolitischer Sprecher der Piratenfraktion, erklärte, man sei sich seit Januar in dieser Sache prinzipiell einig, trotzdem sei nichts passiert. Die Grüne Canan Bayram sagte, dieser Schritt sei „überfällig“.
Bislang müssen sich Asylbewerber in Berlin alle drei Monate einen neuen Krankenschein beim Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso) besorgen, viele Therapien müssen zusätzlich vom Amtsarzt genehmigt werden. Da das Amt chronisch überlastet ist, stehen Flüchtlinge tagelang Schlange, wichtige medizinische Behandlungen werden monatelang verschleppt. „Das ist Menschenrechtsverletzung“, sagte dazu Classen vom Flüchtlingsrat.
Von der Einführung einer Chipkarte erhoffen sich die Befürworter nicht nur eine verbesserte medizinische Versorgung der Flüchtlinge, sondern auch eine Entlastung der Bürokratie sowie finanzielle Einsparungen. Dies zeigen laut Flüchtlingsrat die Beispiele Hamburg und Bremen, wo die Gesundheitskarte vor Jahren eingeführt wurde.
Streit um Wohnungen
Ein weiteres Thema des runden Tischs am Dienstag war das Wohnen. Lageso-Chef Franz Allert erklärte laut Teilnehmern, das Personal in seinem Amt werde aufgestockt, damit zügig über Wohnungsangebote für Flüchtlinge entschieden werden könne. Auch soll die Vermittlung von Wohnungen durch das Evangelische Jugend- und Fürsorgewerk entbürokratisiert werden. Oft bekommen Flüchtlinge Wohnungen nicht, weil das Amt wochenlang prüft, ob die Kosten im gesetzlichen Rahmen liegen.
Weil aber ohnehin immer mehr Wohnungen über den auch für Harz-IV-Empfänger geltenden Kostengrenzen liegen, will der runde Tisch nun den Vorschlag von Canan Bayram prüfen, dass gemeinnützige Träger Wohnungen für Flüchtlinge anmieten, um so die Mietobergrenzen zu umgehen. Dennoch bleibe diese Verordnung ein Problem, so Classen vom Flüchtlingsrat. Für ihn ist es daher ein „Skandal“, dass kein Vertreter der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung am runden Tisch teilnimmt. Schließlich liege es auch in der Verantwortung von SPD-Senator Andreas Geisel, die städtischen Wohnungsbaugesellschaften anzuweisen, mehr Wohnungen für Flüchtlinge bereitzustellen.
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