: Wachstum allein bringt keinen Wohlstand
Fortschritt Grüne legen Konzept für eine Alternative zum Bruttoinlandsprodukt vor
Konsequenzen hat das bisher kaum, nach wie vor gilt das Wachstum des Bruttoinlandsproduktes (BIP) als Maß fast aller Dinge. Dies wollen die Grünen jetzt ändern. Am Donnerstag legten sie erstmals ein Konzept für einen Jahreswohlstandsbericht vor, den sie jährlich veröffentlichen wollen –zeitgleich zum Jahreswirtschaftsbericht der Bundesregierung. Der Wohlstandsbericht soll neben ökonomischen auch ökologische und soziale Indikatoren berücksichtigen.
„Viele Menschen stellen sich die Frage, wie es weiter mit unserer Gesellschaft und unseren Planeten geht“, sagte Grünen-Fraktionsvize Kerstin Andreae der taz. „Sich auf das BIP als einziges Maß für den Wohlstand zu fixieren ist weder nachhaltig noch sozial.“ Wichtige Indikatoren wie Umweltzerstörung, Ressourcenverbrauch und soziale Ungleichheit spiegelten sich im BIP nicht wider. Mit den Jahreswohlstandsbericht solle ein neues politisches Instrument etabliert werden. Erstmals soll der Bericht im Januar vorgelegt werden; künftig soll dies jährlich erfolgen.
In dem Bericht sollen vier Dimensionen berücksichtigt werden: die ökologische, die soziale, die ökonomische und die gesellschaftliche. Jede Dimension wird mit hochkomplexen Indizes beschrieben. Im Bereich der Ökologie sollen die Biokapazität, die Artenvielfalt und die Landschaftsqualität eine Rolle spielen; im Sozialen die Einkommensverteilung und der Bildungsstand; im Gesellschaftlichen die allgemeine Lebenszufriedenheit und die Qualität der öffentlichen Verwaltungen.
Hintergrund dieses komplexen Wohlstandsbegriffes ist die Erkenntnis, dass das BIP die Realität nur unzureichend abbildet. So wird der Abbau von Ressourcen im BIP nicht berücksichtigt. Und: „Umweltschäden können mit Reparaturmaßnahmen beseitigt oder abgemildert werden“, heißt es im Grünen-Konzept. „Diese Kosten erscheinen dann im BIP als Steigerung, obwohl sie im Grunde nur den Status quo wiederherstellen, der vor der Umweltschädigung existierte.“ Zudem führten wirtschaftliche Aktivitäten zu immateriellen Schäden in der Natur, die die Lebensqualität von Menschen deutlich senkten.
Schwierig sei auch, die Einkommensverteilung zu erfassen. „Einem bestimmten BIP sieht man nicht an, ob es der Bevölkerung weitgehend gleich verteilt zur Verfügung steht oder ob etwa Zuwächse nur einem sehr kleinen Teil an Kapitaleignern zugutekommen“, schreiben die Grünen.
Richard Rother
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