: Südlich der Elbe kein Blick in die Hose
Altersbestimmung Anders als Hamburg untersucht Niedersachsen nicht die Genitalien jugendlicher Flüchtlinge. Bremen verzichtet sogar ganz auf körperliche Untersuchungen, weil sie zu ungenau seien
Anders als in Hamburg verzichten die Jugendämter in Niedersachsen und Bremen bei der Altersbestimmung von Flüchtlingen auf die umstrittene Untersuchung der Genitalien. Dem Sozialministerium in Hannover seien keine Fälle bekannt, in denen Ärzte die Geschlechtsteile untersucht hätten, teilte eine Sprecherin mit.
Bremen verzichtet ganz auf medizinische Tests. „Wir haben keine Mediziner im Einsatz“, sagte Bernd Schneider, Sprecher des Sozialressorts. Im Regelfall werde jungen Leuten geglaubt, wenn sie ihr Alter angeben. Nur bei starken Zweifeln werde eine Alterseinschätzung vorgenommen. Dafür würden im Gespräch biografische Daten abgefragt, zudem werde geklärt, ob andere Behörden Informationen über den Betroffenen hätten. „Wir machen das, weil wir wissen, dass alle medizinischen Methoden auch fachlich hoch umstritten sind.“ Für die Natur spiele die Altersgrenze 18 Jahre keine Rolle. Eine Datierung sei unmöglich.
Im Hamburg hatte eine parlamentarische Anfrage der FDP ergeben, dass in bestimmten Fällen „eine Inaugenscheinnahme [...] der Körperoberfläche, insbesondere bei männlichen Probanden der Gesichtsregion und der Achselhöhlen sowie der Genitalregion“ erfolge. „Bei weiblichen Probanden erfolgt eine Inspektion des Entwicklungszustandes der Brustdrüsen.“ Daraufhin hatte es viel Kritik gegeben. Das Verfahren zur Altersbestimmung sei medizinisch nicht gerechtfertigt, sagte etwa der Präsident der Hamburger Ärztekammer, Frank Ulrich Montgomery, der taz.
In Niedersachsen ermitteln die Jugendämter das Alter von jugendlichen Flüchtlingen im ersten Schritt mit einer Untersuchung „im Hinblick auf allgemeine körperliche Reifezeichen“. Dies beziehe sich aber nicht auf die Genitalien, sondern etwa auf die Körperbehaarung, bei Männern der Bartwuchs und bei Frauen die Achselbehaarung. Im Zweifelsfall folgt eine Untersuchung der Wurzelentwicklung der Weisheitszähne oder sogar eine Röntgen-Untersuchung des Kiefers oder der Schlüsselbeine. (dpa)
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