Der lange Schatten der Schattenbanken

BANKEN Per "Hawala" werden weltweit Milliarden Euro illegal transferiert, auch von Deutschland aus

"Hawala" bezeichnet im Nahen Osten und Nordafrika einen Mix aus Zutaten für einen Eintopf

HAMBURG taz | Monat für Monat fliegen illegale „Hawalas“ in Deutschland auf. Diese privaten Gelddienstleister überweisen für ihre Kundschaft heimlich Geld ins Ausland. „Im Jahr 2014 haben wir in 17 Fällen das unerlaubt erbrachte Finanztransfergeschäft untersagt“, teilt ein Sprecher der Aufsichtsbehörde Bafin mit. Es handele sich dabei um „eine rein verwaltungsrechtliche Untersagung“.

Strafrechtlich bleibt die Finanz­aufsicht untätig. Illegale und legale Geldüberweisungen von dauerhaften Arbeitsemigranten, Wanderarbeitern und Flüchtlingen sind in vielen Ländern des Südens ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Nach Angaben der Weltbank überwiesen Migranten im Jahr 2014 436 Milliarden Dollar ihr ihre Heimat.

In ökonomisch schwächeren Ländern wie Lesotho oder Liberia sind Überweisungen aus dem Ausland der wichtigste Wirtschaftsfaktor. Auf bis zu ein Fünftel des Bruttoinlandsprodukts beziffert die Weltbank deren Anteil. In ­Asien, etwa in Bangladesch, Thailand oder Nepal, sind Wanderarbeiter eine Art Exportschlager. Trotz aller sozialer Probleme, die damit einhergehen: Die Arbeiter überweisen Milliarden in ihre Heimatländer, mit Hilfe von Schattenfinanzdienstleistern, an den regulären Banken und staatlichen Ämtern vorbei.

Genaue Zahlen über den Umfang der grauen Geldtransfers kennt niemand. Es dürfte sich aber um mehrere Milliarden Euro handeln, die allein aus Deutschland nach Russland, in den Iran und das Kosovo, nach Albanien, Indien, Pakistan, Sri Lanka, auf die Philippinen oder nach Afrika und Lateinamerika überwiesen werden. Experten nennen diese informellen Überweisungssysteme „Hawala“-Banking.

„Hawala“ bezeichnet im Nahen Osten und in Nordafrika einen Mix aus verschiedenen Zutaten, die zu einem Eintopf verkocht werden. Auch die Schattenbanken verwenden einen Mix verschiedener Maßnahmen: Manchmal schmuggeln sie das Geld ihrer Kunden per Kurier ins Ausland. Manchmal bleibt das Geld im Inland, der Betrag kann im Ausland trotzdem ausgezahlt werden, weil er von befreundeten „Banken“ vor Ort mit anderen Positionen verrechnet wird.

Hawalas basieren deshalb auf persönlichem Vertrauen und sind meistens „ethnisch abgeschottet“, so die Bundesfinanzaufsicht. Besonders verbreitet ist Hawala in islamischen Milieus. Die gemeinsame Religion verbindet. In Deutschland ist das Hawala-Geschäft wie in den meisten Industriestaaten verboten, aus Sorge, dass unregulierte Schattenbanken Instabilität ins Wirtschaftssystem bringen. Sie stehen zudem im Ruf, für kriminelle Aktionen genutzt zu werden. Über Hawalas werden Einnahmen aus Schwarzarbeit, Drogenhandel und illegaler Prostitution gewaschen und Terror finanziert.

So schloss Kenia kürzlich nach Anschlägen in Nairobi ein Dutzend Hawalas. Auch die „Ge­winne“ aus den Schiffsentführungen der Piraten vor Somalia oder in der südostasiatischen Straße von Malakka sollen laut Marine­fachleuten per Hawala nach Singapur, London oder Frankfurt transferiert worden sein. Beim Bundeskriminalamt geht man seit Langem davon aus, dass es sich beim Hawala-Banking um ein „weltumspannendes Netzwerk von Untergrundbanken innerhalb ethnischer Gruppen“ handelt.

Aktuell wimmelt man ab. „Wir kennen das Phänomen“, sagt eine Sprecherin der taz. Aus ermittlungstaktischen Gründen könne man keine Details nennen. Im Regelfall dürfte es sich beim Hawala-Banking allerdings um eine Art Notwehr handeln. In den meisten Regionen der Welt fehlen funktionierende Banken. Legale Geldtransferinstitute sind zwar in bis zu 200 Ländern präsent, aber häufig teuer: Western Union, Money Transfer oder Transferwise kassieren bis zu zehn Prozent Gebühren. Hermannus Pfeiffer